8. August 2021
Britta Hülsewig

du hast mich geträumt gott
wie ich den aufrechten gang übe
und niederknien lerne
schöner als ich jetzt bin
glücklicher als ich mich traue
freier als bei uns erlaubt

hör nicht auf mich zu träumen gott
ich will nicht aufhören mich zu erinnern
dass ich dein baum bin
gepflanzt an den wasserbächen
des lebens
aus: Loben ohne lügen, Dorothee Sölle, Berlin 2000

Wir sind nicht nur die Menschen, die wir zu sein glauben. Wir Menschen sind fähig, anders zu sein, anders zu werden. Wir können uns in uns selbst versenken und auch aus uns heraustreten. So schreibt Dorothee Sölle dazu.

Unser Glaube sagt, dass wir uns nicht selbst geschaffen haben, sondern geschaffen worden sind. Wir sind gewollt und nicht aus Zufall hier. Wir sind ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu. Das heißt auch: Wir sind uns gegeben, geschenkt oder auch zugemutet.
Ich habe mein Leben nicht selbst erfunden, und die anderen auch nicht.

Ist das nicht eine wunderbare Vorstellung: Gott träumt mich, Gott träumt uns? Gott träumt uns schöner, mutiger, glücklicher und auch demütiger, aufmerksamer, nachdenklicher und kritischer, als wir uns selbst sehen und nach außen darstellen. Darin liegen immer neue Chancen auf Veränderung und Gestaltung. Nichts muss so bleiben, wie es ist. Wir können die Verhältnisse ändern, die ungerecht sind und die der Welt und uns schaden. Ich muss nicht so bleiben, wie ich bin. Ich kann mich ändern, damit ein Anfang gemacht wird zu einem besseren, gerechteren Leben.

Unsere Welt braucht solche Menschen, die sich als Traum Gottes sehen lernen. Die nicht nur einfach hinnehmen, was ist, sondern fragen: Welchen Traum träumt Gott mit mir, mit uns?

 

 

18. Juli 2021
Angela Dicke

Gedanken zum „Abendmahlssonntag“

In einem Museum wird eine Ausstellung vorbereitet. Die Kunstwerke sind hochkarätig, die Werbung professionell, die Kuratoren erfahren. Alles wie gewohnt.
Aber eins ist anders:
Verhaltensforscher haben mitgeplant. Sie wollen herausfinden, wie die Besucher auf Ungewohntes, Provozierendes reagieren. Und so legen sie auf dem gesamten Boden Brotscheiben aus – dicht an dicht. Um ein Kunstwerk zu betrachten, muss jeder auf dieses Brot treten.

Was hätten Sie getan und wie denken Sie, ist es ausgegangen?
Fast keiner ist auf die Brotscheiben getreten – die Leute haben lieber darauf verzichtet, die Kunst anzuschauen, als dass sie über das Brot gelaufen wären.
Das steckt offensichtlich und Gott sei Dank tief in uns drin:
Brot tritt man nicht mit Füßen – es ist und bleibt das Symbol des Lebens.
Bei uns und fast überall in der Welt, in der einen oder anderen Form.

Viele Geschichten der Bibel sind im Kern Brotgeschichten.
Das Manna, das in der Wüste wie durch ein Wunder bereit steht und Nahrung für den Tag bietet. Nur für den einen, aber das immer wieder neu: Brot haben heißt, genug für den Tag haben, lernen die Israeliten. Himmelsbrot werden sie es nennen.

Und natürlich die Speisung der 5000 ein,
das unverhoffte Essen, bei dem so viele Menschen Brot miteinander teilen und überraschende Gastfreundschaft genießen.
Viele andere Erzählungen könnten wir nennen; denn:

Getreide und Brot sind offensichtlich geeigneter Stoff, aus dem Geschichten vom Leben gesponnen werden können; Samenkörner, die sich aus sich heraus immer weiter vermehren und so viele satt machen.
Biblisch betrachtet stillt es den Hunger des Leibes und der Seele – beides gehört immer zusammen.
Brot ist damit etwas Alltägliches und etwas Besonderes zugleich.

Wir spüren es schon bei einer Einladung zum Abendessen, bei dem wir in der sorgsamen Vorbereitung der Gastgeber freundschaftliche Verbundenheit und Umsorgtsein fühlen.
Wir erfahren es, wenn wir im Gottesdienst miteinander Abendmahl feiern, im Kreis stehen, uns wahrnehmen, verstehen, was uns verbindet.
Wir sehen es im rechten Chorfenster der Lutherkirche, wo sich Jesus durch das Brotbrechen den Emmausjüngern zu erkennen gibt  und sie in seinen Worten zu ahnen beginnen, was ihnen beim abendlichen Brotbrechen aufgehen wird:
sie erkennen ihren seelischen, geistlichen Hunger und sie verstehen, wie sie am Tisch Gottes gedacht sind:
von Schuld losgekettet, zu Barmherzigkeit fähig, von Versagen befreit und vom Bösen erlöst, von Liebe erfüllt und zur Freude berufen.
Denn es gilt:
„Jesus sprach: wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.
 (Joh 6,35)

Mit dieser Ansage und Deutung führt Jesus alle Brotgeschichten weiter, die wir kennen und überbietet sie.
Ich bin das Brot des Lebens“ – das ist nicht nur Verheißung für die, denen der Magen knurrt. Das ist kräftige Zusage allen, die nach Orientierung hungert, nach Sinn und Tiefe.
Vielleicht hören Sie einmal bewusst auf Ihr „Bauchgefühl“ und forschen nach Ihrem Lebenshunger – wer weiß, was Sie entdecken.

 

11. Juli 2021

 

Britta Hülsewig

 

Aus dem Buch der Sprichwörter (Sprüche) 8,22-36
Die Weisheit spricht:
22 Die Ewige schuf mich zu Beginn ihrer Wege,
als Erstes all ihrer Werke von jeher.
23 Gewoben wurde ich in der Vorzeit;
zu Urbeginn, vor dem Anfang der Welt.
24 Bevor es das Urmeer gab, wurde ich geboren.
Bevor die Quellen waren, von Wasser schwer.
25 Bevor die Berge verankert wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren.
26 Noch hatte sie weder Erde noch Felder erschaffen
oder den ersten Staub des Festlands.
27 Als sie den Himmel ausspannte, war ich dabei,
als sie den Erdkreis auf dem Urmeer absteckte,
28 als sie die Wolken oben befestigte,
als die Quellen des Urmeers kräftig waren,
29 als sie das Meer begrenzte, damit das Wasser ihren Befehl nicht überträte,
als sie die Fundamente der Erde einsenkte:
30 Da war ich der Liebling an ihrer Seite.
Die Freude war ich Tag für Tag und spielte die ganze Zeit vor ihr.
31Ich spielte auf ihrer Erde und hatte meine Freude an den Menschen.
32 Nun, Töchter und Söhne, hört auf mich:
Glücklich können sich alle schätzen, die auf meinen Wegen gehen.
33 Hört auf die Ermahnungen und werdet weise; gebt nicht auf!
34 Glücklich können sich alle schätzen, die auf mich hören,
die Tag für Tag meine Türen bewachen und meine Türpfosten hüten.
35 Denn wer mich findet, hat Leben gefunden
und wird von der Ewigen Freude erhalten.
36 Wer mich verfehlt, fügt sich selbst Gewalt zu.
Alle, die mich hassen, lieben den Tod.
Das ist ein nicht so bekannter biblischer Text aus dem Buch der Sprüche. Er erzählt von dem, wie alles begonnen hat, von Gottes guter Schöpfung. Die Weisheit lädt ein zur Freude über die guten Lebensregeln Gottes für die ganze Schöpfung – und weiß gleichzeitig um die Zerbrechlichkeit und Gefährdung unseres Lebens. Die Weisheit zeigt sich spielend und lachend – und das ist ansteckend für Gott und Menschen.

Den bewusst spielerischen Umgang mit Bildern von Gott habe ich in den Texten von Susanne Niemeyer entdeckt – mir macht es Spaß, ihre Gedanken zu lesen und es stellt sich immer wieder der eine oder andere  „Aha“-Effekt ein. Hier ein paar Anregungen, die den Bibeltext – finde ich – spannend aufnehmen:

Beginnen
Ich stelle mir das so vor, dass Gott selbst keine Ahnung hatte, wie man eine Welt erschafft. Er hatte das ja auch noch nie gemacht. Also fing er einfach an, und schließlich kam doch etwas ganz Interessantes und gar nicht so Schlechtes dabei heraus. Und er hatte keinen Kurs besucht und konnte kein Zertifikat vorweisen – jedenfalls so viel man weiß.
Deshalb finde ich, jeder kann etwas versuchen, ein Bild malen oder einen Gugelhupf backen oder Eiskunstlaufen oder eine Tabellenkalkulation, und wenn es nicht gleich gelingt, na, dann versucht man es noch einmal, weil wir eben nicht Gott sind, aber vielleicht immerhin seine Schülerinnen und Schüler. Irgendwann gelingt etwas, und alles, was man dazu braucht, ist ein bisschen Mut.
(aus: Susanne Niemeyer, Damit wir klug werden, Freiburg im Breisgau 2015, S. 33)

Großzügig
Als Gott die Welt erschuf, machte er als erstes die Großzügigkeit. Das hatte praktische Gründe. Er wollte aus dem Vollen schöpfen. Er legte fünf Erbsen in eine Schote (manchmal sogar sieben) statt einer. Er hängte mehr Kirschen in den Baum, als er je hätte essen können. Das Meer füllte er randvoll und mit Sternen warf er um sich. Dem Menschen gab er zehn Finger und der Fliege tausend Augen. Wenn schon, denn schon, dachte er und rief: „Weitermachen!“
(aus: Susanne Niemeyer, Damit wir klug werden, Freiburg im Breisgau 2015, S. 72)

 

4. Juli 2021

Hans-Jürgen Drechsler

"Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern, können nur zusammen das Leben bestehn. Gottes Segen soll sie begleiten, wenn sie ihre Wege geh'n."

Dieses bekannte Lied wird gerne im Kindergarten gesungen, so auch zuletzt beid der Verabschiedung der Maxi-Kindergartenkinder in Eichlinghofen.

Die Kinder sind ja "kleine Leute". Und dieses Lied soll ihnen Mut machen, dass sie zusammen auch ganz viel erreichen können. Kinder sind ganz wichtig, und sie verändern das Gesicht der Welt, wenn wir ihnen den Raum dazu lassen, auch mal ihre Perspektive einnehmen.

"Kleine Leute" sind aber nicht nur die Kinder.

"Kleine Leute" sind auch die vielen Menschen, die nicht so bedeutend sind, dasss sie jeder kennt. Eher "Menschen wie Du und ich", könnte man sagen, Menschen die einen begrenzten Einflussbereich haben, die in der Regel ein unauffälliges Leben führen. Aber wir kleinen Leute sind dennoch wichtig; denn wir können zusammen auch einiges bewirken.

In der Coronakrise haben diese vielen kleinen Leute durch ihr Verhalten ganz wesentlich dafür gesorgt, dass wir da im Ganzen gesehen relativ gut durchgekommen sind. Die Familien (da waren die Kinder und die Erwachsenen zusammen die "kleinen Leute") haben unheimlich viel aufgefangen, die Mediziner/innen und Pflegr/innen in den Krankenhäusern, die vielen, die andern geholfen haben, die vielen im pädagogischen Bereich Tätigen, und die vielen anderen, die durch ein diszipliniertes Verhalten zum Absinken der Inzidenzen beigetragen haben.

Und es gibt viele Beipsiele, wie die vielen kleinen Leute etwas bewirken können. Wenn umweltfreundliche Produkte eingekauft werden, fair hergestellte Waren mehr genommen werden als andere, dann verändert das unsere Welt.

Deshalb ist dieses Lied nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene "kleine Leute" eine Ermutigung.

Und bei Gott sind die berühmten und bedeutenden Leute nicht wichtiger als die so genannten kleinen Leute.

Alle Menschen können das Gesicht dieser Welt verändern.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen guten Sommer, in dem Gott sie beschützt und behütet und Sie Kraft tanken können, diese Welt zu verändern. AMEN

Hans-Jürgen Drechsler

 

6. Juni 2021

Britta Hülsewig

Herr
Es gibt Leute die behaupten
Der Sommer käme nicht von dir
Und begründen mit allerlei und vielerlei Tamtam
Und Wissenschaft und Hokuspokus
Dass keine Jahreszeit von dir geschaffen
Und dass ein Kindskopf jeder
Der es glaubt
Und dass noch keine dich bewiesen hätte
Und dass du nur ein Hirngespinst
Ich aber höre nicht darauf
Und hülle mich in deine Wärme
Und saug mich voll mit Sonne
Und lass die klugen Rechner um die Wette laufen
Ich trink den Sommer wie den Wein
Die Tage kommen groß daher
Und abends kann man unter deinem Himmel sitzen
Und sich freuen
Dass wir sind
Und unter deinen Augen
Leben.
        Hanns Dieter Hüsch

Ein Wort zum beginnenden Sommer von Hanns Dieter Hüsch.
Der von Gott als liebendem Schöpfer spricht. Der immer an den Funken Gottes im Menschen glaubt. Der „ein Phantast dem Herrn werden“ will, „von zartem Gemüt“ und „von fassungsloser Großzügigkeit“. Der das, was der Sommer uns schenkt und was Gott uns schenkt, einfach genießen kann. Voll Freude. Weil er in all‘ dem die Großzügigkeit und Liebe Gottes spürt und erkennt.
Und der uns an seinem tiefen Glauben teilhaben lässt, ohne zu belehren.

 

30. Mai 2021 - Trinitatis
Hans-Jürgen Drechsler

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!
Wenn Sie das Wort „Zeuge“ hören, woran denken Sie dann zuerst?
Vielleicht ja an den Zeugen vor Gericht. Der soll etwas bezeugen. Dabei geht es um die Wahrheitsfindung. Der Zeuge soll einen Angeklagten belasten oder entlasten. Er ist verpflichtet, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit.
Ein Zeuge ist ganz wichtig. Das, was er sagt, kann für den Ausgang eines Gerichtsprozesses entscheidend sein. Ein Zeuge zu sein ist eine ganz verantwortungsvolle Angelegenheit.
In der Apostelgeschichte auch einen Vers (Apg. 1,8), in dem das „Zeuge-sein“ thematisiert wird:
Jesus sagt da zu seinen Jüngern (bevor er in den Himmel auffährt):
„Aber ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Der Heilige Geist, dessen Ausgießung wir ja letzte Woche zu Pfingsten gefeiert haben, macht die Jünger und Jüngerinnen zu Zeugen.
Sie werden Zeugen Jesu sein, heißt es dort.
Was soll das nun bedeuten?
Die Jünger/innen werden Jesus und seine Botschaft verkündigen. Diese Verkündigung ist das Zeugnis. Sie sind Zeugen von dem, was Jesus den Menschen zu sagen hatte, und gleichzeitig Zeugen, die Jesus als Retter, als Messias bezeugen.  Und so wie bei einem Zeugen vor Gericht geht es darum, dass sie die Wahrheit sagen. Die Wahrheit von und über Jesus.
Das tun die Jünger/innen nicht aus sich heraus, sondern durch die Kraft des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist wird sie so erfüllen, dass sie Jesus bezeugen können. Ihre Angst und ihre Verzagtheit, die sie empfinden, weil Jesus nicht mehr leibhaftig bei ihnen ist, wird durch den Heiligen Geist überwunden.
Und damit ist von vorneherein klar, wofür der Heilige Geist da ist:
Er macht die Menschen zu Zeugen Jesu. Der Heilige Geist ist nicht irgendeine Kraft, die irgendwie alles durcheinander wirbelt oder für Aufsehen sorgt (das tut er u.U. auch), sondern der Heilige Geist ist derjenige, der alles Predigen, alles Reden auf Jesus hinlenkt.
Später in der Apostelgeschichte wird dann beschrieben (2,1ff), wie so ein Zeugnis von Jesus aussieht:
(2,32+33+36)
Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen. Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und empfangen hat den verheißenen heiligen Geist vom Vater, hat er diesen ausgegossen wie ihr hier seht und hört.
So wisse nun das ganz Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat.
Zeuge sein bedeutet hier also Zeuge zu sein für die Frohe Botschaft Jesu Christi. Kreuzigung und Auferstehung Jesu als zentrale Bedeutung und zentraler Inhalt des Zeugnisses. Sie sind ja Zeugen von der Kreuzigung und von der Auferstehung. Das haben sie ja miterlebt. Das bezeugen sie.
Und alle Christinnen und Christen nach ihnen haben das bis heute auch bezeugt, so dass die Botschaft, das Zeugnis von Jesus Christus bis zu uns gekommen ist. Aus dem Orient haben Jesu Nachfolgerinnen und Nachfolger diese Botschaft in die ganze Welt hinaus getragen – auch bis zu uns hier.
Und nun sind wir dran, dass wir Zeuginnen und Zeugen sind.
Denn unsere Hauptaufgabe ist es: Zeugen Jesu Christi zu sein und allen Menschen diese Botschaft weiterzugeben. Dazu befähigt uns der Heilige Geist, den alle Christinnen und Christen bekommen haben, weil wir ohne Gottes Geist ja gar nicht glauben könnten.
Möge der Heilige Geist kräftig in uns wirken und unserer Kirche zu neuem Leben verhelfen. AMEN

 

23. Mai 2021 - Pfingsten
Angela Dicke

 

Gedanken zu Salvador Dali „Pfingsten“

Der wohl berühmteste Maler des Surrealismus hat in den Jahren 1964 bis 1969 Aquarelle als Illustrationen zur Bibel geschaffen.
Die Erstausgabe der Dali-Bibel erschien 1967 und fand bei Kunstkennern weltweit höchste Beachtung.

Vielleicht wundert es Sie so wie mich, dass der Exzentriker, Provokateur und Kritiker kirchlicher Institutionen sich mit biblischen Themen befasst hat.
Aber Dali war auch strenggläubiger Katholik und er hat sich Zeit seines Lebens auseinandergesetzt mit der Spannung zwischen dem religiösen Mythos und dem modernen Weltbild.

Spannung findet sich auch in dem Pfingstbild wieder.
Was ist zu sehen?
Regen – war mein erster Gedanke, ich sehe Hagel, Schnee, graue weiche Bälle, die aus schweren Wolken fallen. Sie schlagen im Blau der unteren Bildhälfte auf und lösen sich dort auf.
Darunter gemischt: Funken, glühende Tropfen, heißer Hagel, der aus gelbrotem Himmel nach unten schießt.
Lava und Schwefel, Glut und Wasser, Feuer und Regen.

Unruhig macht mich dieses Bild,
ich denke an Tumult, Unordnung, Panik.
Ich suche nach Erkennbarem, nach einem Ordnungsschema.
Das Bild beginnt sich zu teilen:
In ein Oben und Unten,
sonniger Himmel und dunkle Erde,
Leichtes und Schweres,
Spitzes, das auf Rundes trifft.

Und je länger ich es betrachte, um so mehr werden die Schneebälle zu Köpfen,
noch schemenhaft, gesichtslos.
Und dann erkenne ich mehr:
Ich sehe am unteren Bildrand eine Hand, die zu einem Wanderstab greift.

Ich sehe eine andere Gestalt, am rechten Bildrand, die eine Hand zum Himmel reckt und mit der andere wie mit einem Flügel in schwebender Bewegung dem ganzen Durcheinander enthoben scheint.

Und wenn ich ganz genau hinsehe, dann sind auf den Schneeballmenschenköpfen in der Mitte Zahlen zu erkennen,
von 1 bis 12;
genau 11 gehören zusammen und die 12 fällt nach unten heraus.
12 Söhne Jakobs, 12 Stämme Israels, zwölf Jünger, 12 Apostel.
Und immer ist einer dabei, der dazugehört und eben doch nicht ganz:
Josef, verkauft nach Ägypten, Judas, der Jesus verriet, Matthäus, der durch Losverfahren an seine Stelle rückt.
Eine Gemeinschaft, immer auch befragt, gefährdet, unvollkommen.

Eine Zwölfergruppe also und viele anderen um sie herum, Zuschauer, Unbeteiligte, Schaulustige.
So wird das in der Apostelgeschichte erzählt. Denn zum großen Fest kamen Menschen aus aller Herren Länder nach Jerusalem.
Und mittendrin die Zwölf –
noch im Bann des Kreuzesgeschehens,
noch mit vorsichtigen Schritten den neu aufkeimenden Glauben erprobend, eher verzagt als mutig.

Der Geist, der vom Himmel herabkommt, bringt alle kräftig in Bewegung.
Auf die Jünger schlägt der Feuerhagel ein, verstörend, gewaltig.
Und die Schaulustigen mit ihren Bemerkungen aus der sicheren zweiten Reihe werden zu Zuhörern.
Was sie hören, trifft sie,
was sie sehen, erleuchtet sie.
Langweilig kann es am ersten Pfingsttag nicht gewesen sein –
Dali lässt nichts Beschauliches, Langsames, Betrachtendes zu.
Alle sind Bestandteil des ungestümen, aufstörenden Geistes.


Das Bild beunruhigt mich, aber es befeuert auch meine Hoffnung, meine Sehnsucht:
dass ich wieder erfahre und erlebe, was denn Glaube eigentlich ist in unserer Zeit,
die so arm ist an Konturen und begründeten Überzeugungen.
Dass ich mit anderen danach suche, wohin mich denn dieser Geist treiben will.
Dass ich Vielfalt schätzen lerne, ohne dabei in Unschärfe zu geraten,
Verbindendes suche und nicht im Einheitsbrei eines irgendwie gearteten religiösen Gefühls ende.

Dass ich die Herausforderung durch Pfingsten spüre:
nicht als unbarmherzigen Anspruch, vollkommen zu sein,
sondern als Kraft, die mir von außen zukommt. Zu-mutung im besten Wortsinn.
Dass sich Kirche wieder belebt, wesentlich wird, fehlerhaft natürlich, aber um Gottes Willen doch nicht belanglos.

Dali deutet mit wenigen Strichen und Farben an, wie das aussehen kann.
Der Ursprung des Geistes selbst bleibt auch auf seinem Bild verborgen,
die Quelle des Himmelsfeuers ist nicht zu sehen.
Heiliger Geist, unerklärlich, unverfügbar, geheimnisvoll.
Und doch mitten in dem Haufen grauer Menschenköpfe zu finden,
hell wie die Sonne.

 

 

9. Mai 2021- Rogate

 

Britta Hülsewig

 

Der heutige Sonntag steht unter dem Namen Rogate – Betet! Beten – mit Gott in Kontakt sein und bleiben. Manchmal fällt das Beten schwer. Manchmal erlebe ich es aber auch als befreiend, mein Herz auszuschütten oder in der Stille Gott zu suchen.
Denn Beten ist vieles – ist Schreien, Lachen, Weinen, Schimpfen, Flehen, Klagen, Danken, Loben, je nach den Umständen. Beten öffnet den Himmel und bringt gleichzeitig die Erde nahe. Wir sind nicht allein auf der Welt, sondern verbunden untereinander, mit der ganzen Schöpfung und mit Gott. Oder wie es einmal eine kluge Frau gesagt hat: „Wenn ich bete, umarme ich die ganze Welt.“
Beten ist eine gute, ganz einfache Tradition unseres Glaubens. Fulbert Steffensky, ein evangelischer Theologe, hat dazu einmal gesagt: „Es ist tröstlich zu wissen, dass wir nicht alles neu erfinden müssen. Es ist auch schön zu wissen, dass das eigene Haus Schätze der Weisheit birgt.“

In der Bibel findet sich ein großer Schatz solcher Gebete – die Psalmen. Gott unendlich fern – und zugleich: unendlich nah. Davon erzählen der Psalmen. Alte Worte sind es – aus einer anderen Zeit. Und mit manchen tun wir uns schwer. Dorothee Sölle rät, man solle die Psalmen essen. Man solle sie in den Mund nehmen, probieren, wie sie schmecken, diese Worte. Sie sind keine mundgerechten Häppchen, nein, manchmal sind sie wie die Knust oder wie kräftiges Vollkornbrot. Man muss die Worte kauen, sie im Munde bewegen und zugleich im Herzen. Sie in sich aufnehmen. Dann werden sie nähren und zugleich ihre Geschichte erzählen:

So wie Psalm 139:
Herr, du erforschest mich
und kennest mich.
    Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es;
    Du verstehst meine Gedanken von ferne.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich
und siehst alle meine Wege.
    Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge,
    das du, Herr, nicht schon wüsstest.
Von allen Seiten umgibst du mich
und hältst deine Hand über mir.
    Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch,
    ich kann sie nicht begreifen.
Wohin soll ich gehen vor deinem Geist,
und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?
      Führe ich gen Himmel, so bist du da;
    bettete ich mich bei den Toten,
      siehe, so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer,
    so würde auch dort deine Hand mich führen
    und deine Rechte mich halten.
Spräche ich: Finsternis möge mich decken
und Nacht statt Licht um mich sein -,
    so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir,
    und die Nacht leuchtete wie der Tag.
    Finsternis ist wie das Licht.
Denn du hast meine Nieren bereitet
und hast mich gebildet im Mutterleibe.
    Ich danke dir dafür,
    dass ich wunderbar gemacht bin;
    wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.
Es war dir mein Gebein nicht verborgen,
als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.
    Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war,
    und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,
    die noch werden sollten und von denen keiner da war.
Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken!
Wie ist ihre Summe so groß!
    Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand:
    Am Ende bin ich noch immer bei dir.

Du, Gott, kennst mich. Ich stelle mir vor, wie die Menschen, die die diesen Psalm vor langer, langer Zeit gebetet haben, nachts um das Feuer herum saßen. Die Flammen sind erloschen. Verhalten leuchtet die Glut. Nur hin und wieder springt knackend ein Funke heraus.
Im Dunkel der Nacht lässt sich nicht ausmachen, wo Gefahren lauern. Aber über den Menschen steht das hohe Himmelsgewölbe. Es ist für sie wie ein großer, schwarzer, umgestülpter Topf. Dieser Topf hat Löcher, lauter kleine Löcher, durch die das Licht des Himmels herabfließt auf die Erde. Und wenn die Menschen damals in die tausendfältig funkelnden Sterne schauten, wussten sie, dass da einer ist hinter allem, der sie umgibt, der sie beschützt und bewacht in den Gefahren der Nacht. Und dessen Segen zu ihnen herabfließt – unsichtbar hell und gütig. Und sie wussten: Das gilt auch für die Nächte, in die wir selbst am hellichten Tag geraten können. Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag.
Der Psalm erzählt auch von der Sehnsucht. Einer Sehnsucht im Innersten des Herzens. Der Sehnsucht nach Gott. Dass da etwas ist, mehr als das alltägliche Geschäft, mehr als Termine und Sorgen. Dass da etwas Göttliches ist. Nicht nur ein Es, sondern ein Du, das mich anspricht, das für mich da ist. Diese Sehnsucht geht nicht nur vom Menschen aus. Gott selbst hat sie uns ins Herz gelegt hat. Gottes Sehnen wohnt in mir – auf dem Grund meiner Seele. Du hast mich gekannt, lange bevor es mich gab. Du hast mich entstehen lassen, hast meinem Leben Gestalt gegeben, für meine Seele einen Leib geformt, meine Nieren bereitet, mein Herz zum Schlagen erweckt. So war ich vor dir – noch bevor ich überhaupt geboren war.  
Und so bin ich allezeit vor dir, umgeben von dir. Darum werde ich auch immer bleiben bei dir. Nichts kann mich von dir trennen: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. So beschreibt Psalm 139 meine Beziehung zu Gott – und Gottes Beziehung zu mir. Das gibt mir Geborgenheit, weckt Zuversicht und stärkt mich.

Es gibt ein wunderbares Lied, das diesen Psalm aufnimmt:


1. Du bist da, du bist da, bist am Anfang der Zeit, am Grund aller Fragen bist du.
Bist am lichten Tag, im Dunkel der Nacht hast du für mich schon gewacht.
Nähme ich Flügel der Morgenröte, bliebe am äußersten Meer,
schliefe ich ein im Reich der Toten, würde statt Nacht Licht um mich sein.

2. Du bist da, du bist da, bist am Anfang der Zeit, im Arm einer Mutter bist du.
Bist am lichten Tag, im Dunkel der Nacht hast du für mich schon gewacht.
Sitze ich da oder leg mich nieder, mache mich auf und steh.
Meine Gedanken kennst du von Ferne, weißt ganz genau, wohin ich geh'.

3. Du bist da, du bist da, bist am Anfang der Zeit, das Rätsel des Lebens bist du.
Bist am lichten Tag, im Dunkel der Nacht hast du für mich schon gewacht.
Stehe ich staunend am Strand und träume, zähle die Körner im Sand.
Lote ich aus die Meerestiefe, sehe hinaus ins Sternenhaus.

4. Du bist da, du bist da, bist am Anfang der Zeit, auch jenseits der Sterne bist du.
Bist am lichten Tag, im Dunkel der Nacht hast du für mich schon gewacht.
(Text: Jan von Lingen, 2004, Melodie, Gerd-Peter Münden, 2004)

Vielleicht hören Sie mal rein.

 

2. Mai 2021 - Kantate
Hans-Jürgen Drechsler

 

 

Aufbruch in den Frühling!
Jetzt blüht draußen ganz viel, und wir können in den Frühling aufbrechen.
Zum einen ganz direkt, wenn wir draußen unterwegs sind und zum anderen im zeitlichen Sinn, wenn wir in diese Jahreszeit aufbrechen. Zugegeben: Kalendarisch hat der Frühling längst angefangen, aber erst in den letzten Tagen und Wochen blüht es so richtig, dass die Frühlingsgefühle auch mehr werden.
Jedes Jahr wieder erleben wir, wie das Leben in der Natur neu erwacht. Und die bunte und vielfältige Blütenpracht ist wunderschön anzuschauen. Die alte Zeit von Winter und Kargheit ist vorüber, die neue Zeit wird immer mehr sicht- und erlebbar.
Und manche Menschen loben Gott dafür, weil sie hinter all‘ dem Gott als den Schöpfer und Erhalter der Welt sehen. Er macht alles neu, lässt die Welt in neuer Blüte erstehen.
Alt und neu – Vergangenes und Zukunft. Das kann man gut gegenüberstellen.
Auch die Bibel benutzt an verschiedenen Stellen diesen Gegensatz.
In 1. Kor. 5, 17 geschieht das zum Beispiel:

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“


Das Sein in Christus, also das Leben in Jesus Christus, ist das Neue. Paulus beschreibt in diesem Bibelvers das neue Leben als Christ. Dieses neue Leben orientiert sich allein an Jesus Christus. Alle alten Bindungen, alles Alte, das einen Menschen von Jesus fernhalten will, ist auch wirklich vergangen. Es hat keine Kraft und keine Macht mehr. Wer zu Jesus Christus gehört, der ist sozusagen eine neue Kreatur, ein neuer Mensch. Für ihn zählen nicht die alten Maßstäbe, wo das eigene Ich über allem steht, sondern die Orientierung an Jesus Christus bestimmt alles. Wer so lebt, ist neu geboren. Das ist noch etwas anderes als das neue Leben, das im Frühling aufblüht. Aber das Neue, das Blühen im Frühling, kann auch das neue Leben versinnbildlichen. Und wer als Christ lebt, blüht auch auf. Er bekommt durch die Verbindung zu Jesus Christus neue Kraft und neuen Mut zum Leben. Und das bewirkt ein Aufblühen und zuversichtliches Vorangehen im Leben.
In diesen Zeiten hoffen wir darauf, dass das Leben neu aufblüht, alle Beschränkungen überwunden werden und die Pandemie bald zu dem Alten gehört, das überwunden sein wird. Aber auch, wenn die Pandemie vorbei sein wird, wird unser Leben nur aufblühen und in seiner Tiefe von Sinn erfüllt sein, wenn wir in Christus sind und in ihm bleiben. Das neue Leben in ihm ist das wahre Leben. Und so wünsche ich uns, dass wir in ihm bleiben, jetzt und für alle Zeit und in Ewigkeit. AMEN

 

Wochenende 25.4.2021
Angela Dicke

 

Seit vielen Monaten können wir in unseren Kirchen keine Gottesdienste feiern – und das schmerzt sehr.
Gut, wenn dennoch ihre Türen einladend geöffnet sind.
Hier kann man seinen Platz finden, die Fenster auf sich wirken lassen, die Höhe und Weite des Raumes, seine Atmosphäre und man kann eine Kerze anzünden.
Die Fürbittenleuchter gehören inzwischen selbstverständlich in unsere Kirchenräume.

Ein kleines Licht soll brennen -
sei es für jemanden, um den wir uns sorgen,
sei es mit einem Dank für etwas Gutes, das sich ereignet hat –
wir zünden Kerzen an und denken dabei an unsere Verstorbenen, an Kinder, die uns geboren wurden,
an  jemanden, der krank geworden ist oder an die, die eine schwierige Lebenslage überstanden hat.
Und: wir bitten für uns selbst, mit einfachen Worten, manchmal nur mit einem Seufzen.

All diese Bitten und Gedanken bleiben für die anderen verborgen, und doch nehmen wir Anteil.
Denn jede Kerze, die angezündet wird, zeigt uns an, dass da jemand bewegt wird durch eine Freude oder einen Kummer.
Und wenn wir das wahrnehmen, wirkt das in uns hinein,
wie eine Welle, die sich ausbreitet.
Das ist in unserer „kontaktlosen“ Zeit ein ungemein wichtiges Zeichen, ein kleines Stück Verbundenheit.

Manchmal treten die Fürbitten auch an die Oberfläche.
Wenn in die Anliegenbücher etwas eingetragen wird:
ein Dank für ein schönes Erlebnis,
für den glücklichen Ausgang einer Sache,
eine Bitte um eine Liebe, die gelingen soll,
für ein Kind, das Sorgen macht,
für eine Freundin, die sich in einer Sackgasse gefangen hat –
viele auf wenige Sätze verdichtete Lebensgeschichten finden sich da.

Man könnte einwenden, dass Gott doch ohnehin alles weiß, was uns auf dem Herzen liegt –
im Matthäusevangelium leitet Jesus das Vaterunser ja genau so ein:
„euer Vater weiß, was ihr bedürft, noch bevor ihr ihn bittet“.

Und dennoch spielt die Fürbitte in der Bibel eine große Rolle:
So bittet Abraham für die Einwohner von Sodom – um der Gerechten willen möge die Stadt doch vor dem Zorn Gottes verschont bleiben;
in der Bergpredigt werden wir aufgefordert, auch und gerade für unsere Feinde zu beten;
die heidnische Frau bittet mit Erfolg um die Heilung ihrer Tochter,
Jesus bittet in seiner Todesstunde um Vergebung für seine Feinde.

Für jemanden zu bitten, bedeutet, den anderen in den Blick zu nehmen,
wahrzunehmen, wonach er sich sehnt und was er braucht um lebendig und glücklich zu sein
und sich davon selbst bewegen zu lassen, Anteil zu nehmen.
In dem andern auch sich selbst zu entdecken, glücklich und ängstlich, großartig und kleinmütig.

Und es bedeutet, Gott zu sehen als den, der ich bewegen lässt,
der nicht beharrt auf Recht und Gerechtigkeit,
der sich behaften lässt auf Barmherzigkeit und Liebe.

So schließt die Fürbitte, ob am Leuchter still entzündet oder in Schrift und Wort ausgesprochen,  alle zusammen zu einem Kreis, in dem Heilvolles erbeten und sich ereignen kann.
Angela Dicke

PS: Die Orte und Zeiten der Offenen Kirchen finden sich auf der homepage

 

Sonntag, 18. April 2021
Ralf Wieschhoff

 

„Sie wurden aus dem Leben gerissen.“ So schildern Angehörige ihre Erfahrung mit dem Tod. Mehr als 80.000 Menschen sind allein in Deutschland nach einer Covid-19-Infektion gestorben. Oft konnten und können Angehörige nicht persönlich Abschied nehmen von geliebten Menschen. Sie leben mit der Erfahrung eines schnellen und oft unpersönlichen Abschiedes, müssen diese Trauer aushalten.
„Ich bin froh über die Initiative des Bundespräsidenten“, sagt ein Angehöriger. „Es ist eine Art von Wertschätzung, ein Zeichen, dass wir wahrgenommen werden. Man spürt, man ist nicht allein.“ „Darüber zu sprechen hilft, damit abzuschließen.“ sagte Detlev Jacobs, einer der Sprecher beim Gedenkakt im Berliner Konzerthaus.
Dieser Sonntag (18. April 2021) ist ein Tag des Gedenkens und des Mitgefühls. Im Gottesdienst in der Berliner Gedächtniskirche wurde in Anwesenheit von Vertretern der höchsten Staatsämter der Opfer der Pandemie gedacht. Am Nachmittag geschah dies noch einmal als Gedenkakt im Berliner Konzerthaus.
Solches Gedenken kann den Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen nicht nehmen. Es kann aber ein Zeichen des Mitgefühls und der Solidarität sein. Einen Menschen allein sterben zu wissen– ohne einen vertrauten Menschen in der Nähe, ohne eine Hand, die ihn hält ist schmerzlich. Dieser Schmerz wurde benannt. Es gab Raum, je eigene Erfahrungen und Erinnerungen anzufügen, sich einzufügen in die große Zahl derer, die trauern. Mit eigenem Schmerz, aber auch mit Solidarität, mit Einfühlung und Mitgefühl.
Mitgefühl – das ist im Kirchenjahr das Thema dieses Sonntags. „Misericordias Domini“ heißt der zweite Sonntag nach Ostern. Die „Barmherzigkeit des Herrn“ oder anders betont, das „Mitgefühl Gottes“ wird erinnert. Mitten im geschriebenen Wort wird das „Herz“ sichtbar. Was zu Herzen geht, geht mich an. Was von Herzen kommt, wirkt. „Die Erde ist voll der Güte , der Misericordia des Herrn“ heißt es in Psalm 33, Vers 5, nach dem dieser Sonntag seinen Namen hat.
Die Welt liegt Gott am Herzen. Daran erinnert dieser Sonntag. Darauf dürfen wir vertrauen und uns stärken lassen von Herzenswärme, Güte, Barmherzigkeit und erlebten Mitgefühl.
Die Gedenkveranstaltung für die Pandemieopfer ist ein Zeichen der Wertschätzung. Dieser Sonntag eine Erinnerung, dass wir alle des Mitgefühls, der Misericordia Gottes und auch der Menschen bedürfen.
Ralf Wieschhoff

 

Sonntag, 11. April 2021
Britta Hülsewig

 

Johannes 20,24-28
Als Jesus kam, war Thomas, genannt der Zwilling, einer aus dem Kreis der Zwölf, nicht dabei gewesen. Die anderen Jünger erzählten ihm: »Wir haben den Herrn gesehen!« Thomas sagte zu ihnen: »Niemals werde ich das glauben! Da müsste ich erst die Spuren von den Nägeln an seinen Händen sehen und sie mit meinem Finger fühlen und meine Hand in seine Seitenwunde legen – sonst nicht!«
Eine Woche später waren die Jünger wieder im Haus versammelt und Thomas war bei ihnen. Die Türen waren abgeschlossen. Jesus kam, trat in ihre Mitte und sagte: »Frieden sei mit euch!«  Dann wandte er sich an Thomas und sagte: »Leg deinen Finger hierher und sieh dir meine Hände an! Streck deine Hand aus und lege sie in meine Seitenwunde! Hör auf zu zweifeln und glaube!«
Da antwortete Thomas: »Mein Herr und mein Gott!«

Die Menschen haben ihn oft den ungläubigen Thomas genannt, das ist beinahe sprichwörtlich geworden. Mir ist diese Sicht auf Thomas zu negativ. Jesus selbst hat ihn doch auch ganz ernst genommen. Er gesteht Thomas seine Zweifel zu und kümmert sich darum. Er nimmt die Hände von Thomas und führt sie, geleitet ihn durch eine schwierige Aufgabe. Da tastet der Verwundete gemeinsam mit dem Verwunderten über die Wunden und die kaum geheilten Narben.
Jesus sagt nicht:  Vorsicht, das tut noch weh! Aber er liefert sich auch nicht den ungeschickten Fingern aus. Wie viel Berührung auszuhalten ist, das weiß Jesus allein.
Ich stelle mir das ganz zart vor, wie Jesus die Hand von Thomas nimmt und mit ihm zusammen Wunde und Seele berührt. Dem Thomas ist das anzumerken, er findet Worte eines Bekenntnisses, er wird ein Sehender: Mein Herr und mein Gott, das heißt wohl auch: mein Lehrer, mein Leben. Es hat ein wenig den Beiklang einer Liebeserklärung.
Dabei  wird Thomas nicht nur überzeugt, weil er die Finger in Jesu Wunden legen kann. Es ist Jesus in seiner ganzen Person, der ihn ernst nimmt, der seine Fragen beantwortet, der sich einlässt auf eine ungewöhnliche Erfahrung. Tastend begreift Thomas, dass das Leben stärker ist als der Tod. Es sind erste Versuche: Hier wird kein vollmundiges Glaubensbekenntnis gesprochen, sondern gestammelt: Mein Meister, meine Liebe!
Es ist gut, dass es Thomas gibt. Es ist gut zu wissen, dass unsere Zweifel ihre Berechtigung haben und ernst genommen werden. Ja, wir wollen noch nicht fertig sein, unsere Neugier und unsere Fragen gehören zu uns. Gehören auch zu einem lebendigen Glauben. Wir haben keine fertigen Antworten. Wir wollen das Leben finden mit all seinen Verwundungen und Narben – ein anderes gibt es nicht. Wir wollen unser Leben leben im Licht von Ostern!

Lebendiger Gott,
wir leben unter der frohen Botschaft des Osterfestes – auch jetzt in der Pandemie.
Wir leben – mit unseren Verletzungen,
mit unserer Angst, mit unserer Mutlosigkeit.
Und dennoch – Ostern heißt: der Tod hat nicht das letzte Wort!
Wir bitten dich:
Komm zu uns und hilf uns,
neu zu sein und neu zu werden.
So sehr brauchen wir einander und brauchen wir dich,
damit der Hoffnung Flügel wachsen,
damit wir deine Freiheit und deine Liebe leben.
Wir bitten dich:
Öffne unsere Herzen und Sinne für deine österliche Gegenwart. AMEN.

 

Ostern 2021

Hans-Jürgen Drechsler

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!


Ostern - Auferstehung.
Darum geht es. Zwar denken viele Menschen zu Ostern eher an Ostereier und freie Tage, aber wir Christinnen und Christen feiern Ostern, weil Jesus auferstanden ist.
In der Bibel wird an verschiedenen Stellen erzählt, wie Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern nach der Auferstehung begegnet. Eine, wie ich finde, besonders schöne Erzählung steht im Johannesevangelium: Johannes, 20, 11-18
Maria stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Und die sprachen zu ihr:
Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jeus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen.
Spricht Jesus zu ihr: Maria!
Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Maria Magdalena geht und verkündigt den Jünger: „Ich habe den Herrn gehen“, und was er zu ihr gesagt habe.

Ostern Auferstehung.
Maria rechnet gar nicht damit. Sie sucht nach Jesu Leichnam. Aber er ist nicht bei den Toten, sondern er lebt. Er ist auferstanden. Darum kann er ihr begegnen. Das wirft ihr ganzes Leben um. Sie erwartet Tod und findet Leben.
Die Erzählung berichtet manche Einzelheiten. Das ist an vielen Stellen eine Besonderheit des Johannesevangeliums. Man kann sich die Szene gut bildlich vorstellen. Doch es geht nicht um eine ferne Geschichte, sondern um den lebendigen Jesus Christus. Jesus begegnet Maria, damit sie es den Jüngerinnen und Jüngern weitererzählt. Wer Jesus als den Lebendigen erfährt, soll es weitererzählen. Das tut sie. Und so ist es durch die Jahrhunderte immer weiter geschehen bis zu uns. Darum kommen auch wir in dieser Geschichte vor. Jesus spricht uns mit Namen an. Er ruft uns zu sich. Und wer ihn kennt, der erzählt es weiter. Es ist die Botschaft vom Leben – hier auf der Erde und in Ewigkeit. Beides gehört zusammen.
In der Auferstehung Jesu haben wir die Grundlage für unseren christlichen Glauben. Und so können wir in dieser Hoffnung leben – auch angesichts aller Todeserfahrungen um uns herum, im persönlichen Umfeld und in unserem gesellschaftlichen Umfeld und weltweit.
Gottes Liebe ist stärker als der Tod. In Jesus können wir diese Liebe erkennen.
So wünsche ich Ihnen gesegnete Ostern, dass Sie auch in dieser Zeit Mut und Kraft bekommen für Ihren Lebensweg. AMEN

Hans-Jürgen Drechsler

 

 

Gründonnerstag, 1. April 2021

 

Britta Hülsewig

 

Am Anfang des Endes Jesu steht das Fest. Jesus lädt zu Tisch. Seine Freunde und Freundinnen will er noch einmal um sich haben. Ganz nah. Mit ihnen essen und trinken: Bei Tischgesprächen, Wein und Brot. Zeichen des Festes und Zeichen für das Kommende. Jesus deutet sie als Mittel zum Leben. In diesen Zeichen schenkt er sich selbst. An dieses letzte Mahl erinnern Christinnen und Christen bei jeder Abendmahlsfeier. Gerade jetzt merken wir, wie uns diese sichtbaren, leibhaftigen Zeichen fehlen. Die Gemeinschaft, das Miteinander. Gemeinsam feiern und zusammen essen und trinken. Uns fehlt, was wir auch zum Leben brauchen.
„Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich“, sagt Jesus zum Abschied. Damals in der Nacht beim letzten Mahl Jesu werden Menschen satt, wirklich satt. Menschen, die, Hunger mitgebracht haben. Hunger, wie man ihn nach einem langen Tag unterwegs hat. Den Hunger von Menschen, die selten satt werden.
Menschen werden satt bei Gott. Das gehört zum Abendmahl dazu! Und die Hoffnung und die Sehnsucht, dass wir einmal feiern werden – zusammen mit allen, zusammen mit Jesus im Reich Gottes. Diese Sehnsucht wachhalten – vielleicht gelingt uns das gerade jetzt, wo wir nicht mehr selbstverständlich miteinander feiern können.

 

 

Sonntag, 14. März 2021

Britta Hülsewig

In der Passionszeit denken wir über die Passion, das Leiden Jesu Christi nach. Die biblischen Geschichten, die zu dieser Zeit gehören, bedenken aber nicht nur Leiden und Sterben. Es sind gleichzeitig Geschichten, die von großer Leidenschaft für das Leben erzählen:

Markus14,3-9
Und als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.
Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.
Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein schönes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Es war kurz vor dem Passah-Fest, und Jerusalem brodelte. Nicht nur wegen der Feststimmung und der vielen Gäste und Pilgerinnen. Es lag eine ganz merkwürdige, aufgeregte Stimmung über der Stadt, dieses Gefühl: Bald geschieht etwas ganz Entscheidendes.
Jesus ist eingeladen bei Simon, sie sitzen oder liegen zu Tisch. Eine Frau ohne Namen platzt ins abendliche Essen. Sie scheint es eilig zu haben. Geht direkt auf Jesus zu. Wahrscheinlich weiß sie, dass sie nicht zögern darf. Sonst kommt sie nicht dazu, Jesus zu salben. Man würde sie vor die Tür weisen. Sie ist nicht eingeladen. Sie hat hier nichts zu suchen.
In ihren Händen ein Fläschchen mit sehr kostbarem Nardenöl. Das teuerste Duftöl weit und breit. Sie geht zu Jesus, zerbricht den schmalen Hals des Fläschchens und schüttet gleich den ganzen Inhalt auf seinen Kopf. Mit zärtlichen Berührungen verteilt sie das Öl. Der Duft wird ihn begleiten, die zärtliche Geste wird ihn trösten. Die Frau scheint zu wissen, wie  schutzlos jemand den Mächtigen ausgeliefert sein kann. Wie zerbrechlich und hilflos. Sie ist eine Frau. Sie selbst wird es gleich auch wieder erleben. Und trotzdem tut sie, was sie tun will. Das ist ihre Stärke.
„Bist du verrückt“, ruft es aus der Runde derer, die mit Jesus am Tisch sitzen. „Das ist pure Vergeudung. So teures Öl. Ein ganzes Vermögen. Du würdest Jesus mehr Freude machen, wenn du das Geld statt für diesen Luxus für die Armen einsetzen würdest. Gute Werke wollen wir sehen, keine sinnlosen Taten.“

Etwas an dieser Haltung kommt mir bekannt vor:
Man hätte, man sollte, man müsste. Wie wir das ja alle gut können, Männer wie Frauen. Was man tun sollte, das wissen wir im Prinzip genau. Wir meinen es gut. Wir wollen das Beste. Und wir maßen uns an, genau zu wissen, was das ist.

Über die Jahrhunderte haben vor allem Männer über diese Frau spekuliert. Mal erschien sie ihnen als Sklavin, die vor Jesus kniete, seine Füße einölte und mit ihrer Lockenpracht trocknete. Wahlweise auch als Luxus-Prostituierte, denn „man“ weiß ja, wie „so eine“ an ein Parfüm gelangt im Wert eines Jahresgehalts. Aber eigentlich ist nichts über sie bekannt. Nicht einmal ihr Name.

Und Jesus? Jesus sagt laut und deutlich: Lasst sie! Sie hat ein schönes Werk an mir getan.
Diese Reaktion muss die Jünger erschreckt und verunsichert haben. Jesus nimmt diese Verschwenderin in Schutz. Er versteht ihre Handlung. Mehr noch, er lobt ihr Handeln. Sie hat ein schönes Werk an mir getan.
Einfach etwas Gutes tun. Es braucht mehr als Worte, um Wärme und Nähe zu zeigen. Und manchmal braucht es sogar Verschwendung dazu.
Die Armen habt ihr immer bei euch, und ihr könnt ihnen Gutes tun, so oft ihr wollt; mich aber habt ihr nicht immer. Sagt  Jesus. Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat mich im voraus für mein Begräbnis gesalbt. Und ich sage euch: Überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat.
Für Jesus ist diese Frau die einzige, die verstanden hat, was er jetzt braucht.
Dass es kein Luxus ist, seine größte Kostbarkeit einem einzigen Menschen zu geben, sondern ein einzigartiges Geschenk. Dass es Entscheidungen gibt, die keiner Rechtfertigung bedürfen und Zeiten, in denen es nur Alles oder Nichts gibt. Bei denen wir nicht danach fragen müssen, was es kostet, weil es um etwas ganz anderes, Wichtigeres geht.

Überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat.
Die Frau hat mit ihrem Ölfläschchen Geschichte geschrieben. Wie ihr Name war, ist nicht bekannt. Aber das, was sie getan hat, ist zu ihrem Gedächtnis weitererzählt worden. So, wie es im Lauf der Geschichte viele namenlose Männer und vor allem auch Frauen gegeben hat, die den richtigen Zeitpunkt erkannt und einfach gehandelt haben, als es nötig und wichtig war. Die auch Geschichten geschrieben haben, wenn auch unbekannte. Geschichten von Liebe, die sich verschwendet. Geschichten von Nähe, die tröstet und verwandelt. Geschichten von Mut und Einsatz, die rettend sind.

 

Sonntag, 7. März 2021

Hans-Jürgen Drechsler

 

„Der Mensch denkt, und Gott lenkt.“
Dieses Sprichwort kam mir diese Tage in den Sinn, als ich daran dachte, wie es vor einem Jahr war.
Ich hatte das Jahr 2020 gut durchgeplant, gemeindlich, familiär und sportlich. Seit Februar hatte ich eine Gemeindepraktikantin, mit der ich einen ausführlichen Plan gemacht hatte, wie sie Gemeinde und Kirchenkreis gut kennenlernen könnte.
Veranstaltungen und Gottesdienste waren geplant. Treffen, Besuche usw. standen alle im Terminkalender.
Und familiär gab es auch einige wichtige Termine, z.B. die Hochzeitsfeier eines Patenkindes meiner Frau im Sommer und der Besuch bei einer Nichte in Wien.
Und sportlich hatte ich die wenigen Freiräume auch gut durchgeplant und ein paar Laufveranstaltungen im Blick, bei denen ich mitlaufen wollte.
So hatte ich es mir gedacht. Aber es kam, wie wir alle wissen, ganz anders. Ab Mitte März ging erst einmal (fast) gar nichts mehr. Lockdown, der erste.
Meine Praktikantin hatte nichts mehr kennenzulernen und brach das Praktikum ab. (Sie setzt3 es dann später an ihrem Wohnort fort.)
Die Gemeindeveranstaltungen wurden abgesagt. Die familiären Besuche und die Hochzeitsfeier fielen aus, und Events wie Laufveranstaltungen gibt es ja bis heute so gut wie gar nicht mehr.
Dass so ein winziges Virus die ganze Welt lahmlegen könnte, das hatte ich nach den ersten Meldungen aus China nicht gedacht. Das war doch so weit weg.
Tja, und während ich das so bedachte in diesen Tagen, kam mir das Sprichwort in den Sinn, das ja auf einen Bibelvers aus den Sprüchen Salomos in der Bibel zurückgeht, Sprüche 16,9:
„Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“
So ist das also. Ich hatte mir alles so schön gedacht, und dann kam es ganz anders. Nun möchte ich nicht sagen, dass Gott die Pandemie geschickt hat, und das der Grund wäre für die Veränderung meiner Pläne und Schritte. Aber es wurde mir deutlich, dass es eben auch ganz anders kommen kann durch etwas, das niemand erwartet hatte. Gott hat meine Schritte auf andere Wege gelenkt. Zwei Monate keine Gottesdienste, keine Veranstaltungen, Kontaktbeschränkungen u.v.a.m., das jetzt auch wieder ist.
Ich bin nachdenklich geworden, was Zukunftspläne anbelangt. Zwar sagen wir Christ/innen ja, wenn wir etwas vorhaben: „So Gott will und wir leben“, aber wir rechnen in der Regel schon damit, dass wir unsere Pläne umsetzen können, und meistens geschieht das auch.
Nun musste ich innehalten und alle anderen auch.
Und auch jetzt ist es ja wieder so seit Dezember.
Gott hat meine Schritte trotz allem auf gute Wege gelenkt. Ich habe die Zeit bei allen Einschränkungen bisher gut überstanden. Das ist schon ein Grund zur Dankbarkeit.
Und ich habe in dieser Zeit gelernt, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann (wie z.B. das Nicht-Feiern von Gottesdiensten in unseren Kirchen).
So schön hatte ich alles geplant, und dann kam alles anders.
Ich habe mich natürlich gefragt, was Gott mir damit sagen wollte. Wollte er, dass ich mehr einkalkuliere, dass das Leben auch ganz anders sein kann, damit ich mich nicht so festlege oder unbeweglich werde bei dem Weg in die Zukunft?
Oder wollte er, dass ich mehr nach seinem Willen frage und nicht so sehr meinen Willen in den Vordergrund stelle?
Was auch immer es ist:
Ich bin ruhiger geworden und gelassener. Das geht natürlich nur, weil ich keine Existenzängste habe. Dann wäre es anders. Aber so lerne ich, die Situation anzunehmen und abzuwarten, wie Gott meine Schritte lenkt, um noch einmal auf den Bibelvers Bezug zu nehmen.
Auf jeden Fall lenkt er meine Schritte auf gute Wege. Darauf vertraue ich. Und auch wenn es anders ist, als ich es erwartet habe, ist der Weg mit Gott ein guter Weg.
Darum möchte ich Sie ermutigen, auf ihn zu hören, und Ihre Schritte von ihm lenken zu lassen, damit ihr Weg ein guter Weg ist.
Gott segne und behüte Sie. AMEN

 

Sonntag, 28. Februar 2021
Angela Dicke

 

Wenn wir jemanden an etwas erinnern oder selbst an etwas erinnert werden, schwingt zuweilen leichte Ungeduld mit, ein schlecht verhohlener
Vorwurf: „Hast du das vergessen, wieder mal nicht dran gedacht, sind dir meine Belange nicht wichtig?“.
Je nach Gefühls- und Temperamentslage erfolgt schuldbewusste Zerknirschung oder trotzige Erwiderung. Man fühlt sich ertappt, zur Rede gestellt. Der eine ist überlegen, die andere zurückgesetzt. Das kränkt, auch, wenn es sich oft nur um Alltäglichkeiten, um Banalitäten dreht.

Die Erinnerung, die am zweiten Sonntag der Passionszeit, „Reminiscere“ aufgerufen wird, hat da noch ganz anderes Gewicht.
Da scheint jemand in großer Bedrängnis zu sein, von Feindlichem umstellt, allein gelassen. Und wer den 25. Psalm ganz liest, spürt viel von dem Jammer und der Wucht der Not.
Der Beter benennt zu Beginn fast selbstbeschwörend das, was er hofft, an wem er Halt und Sinn festmacht, doch dann schlägt der Ton rasch um, wird drängend.
„Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind.“,
so ruft es aus ihm heraus.

Damit schlägt er einen weiten Bogen, zurück zu den Anfängen der engen Beziehung, ja, noch weit dahinter zurück.
„Von Ewigkeit her“ – das liegt vor allem, was denkbar, was erforschbar ist. Der letzte, tiefe Grund ist gar nicht auslotbar, aber er war doch zu spüren, immer wieder  und er schien doch tragend, allezeit – bis jetzt.
Aber nun ist alles ins Wanken geraten, Gefühle der Ohnmacht breiten sich aus, Unsicherheit und Angst besetzen das Herz und die guten Tage sind weit weg, das Lebensglück verdorben.

Die alten Zusagen tragen nicht mehr, aber sie hallen immerhin noch nach – so dass dieser Mensch noch einmal danach greift:
„Du hast mir doch Lebendigkeit versprochen, Beistand, Wege aus dem Elend ins Gelingen, Vertrauen in mich gelegt, dass die Seele fest werden kann und meine Zeiten köstlich.“
Ein leidenschaftlicher Appell, gerichtet an den Gott, der sich dem Menschen vorgestellt hat als liebender Urgrund allen Lebens.
Der eine so enge Beziehung mit ihm eingegangen ist wie eine schwangere Frau mit ihrem Kind. Denn in dem hebräischen Wort für „Barmherzigkeit“ steckt der „Mutterschoß“. Gott und Mensch, beide sind untrennbar miteinander verknüpft, und so wie eine Mutter ihr Kind liebt und sich an ihm freut und es schützen und bewahren will, so sehr gibt das Kind diese grund-lose Zuneigung zurück – durch sein bloßes Dasein. „Nach dir, Gott, verlangt mich“ (Ps 25,1) – so soll es doch sein.

Ob der Mensch Antwort bekommen hat auf seinen Hilferuf?
Immerhin bleibt er mit Gott in Beziehung, und seine Stimme gewinnt im Laufe der Verse an Festigkeit: „lass mich nicht zuschanden werden, denn ich vertraue auf dich.“
Bitten, hoffen, Aussichten entdecken – ein mühsamer, aber not-wendiger Prozess.
Ein Weg, den wir alle auch in dieser besonderen Passionszeit gehen – menschliches Leid und Gottes Leidenschaft für seine Geschöpfe geheimnisvoll miteinander verwoben. Dem spüren wir nach in diesen Tagen vor Ostern.
Worauf es hinauslaufen soll?

Helmut Gollwitzer hat es so gesagt:

Die Nacht wird nicht ewig dauern.
Es wird nicht finster bleiben.
Die Tage, von denen wir sagen,
sie gefallen uns nicht,
werden nicht die letzten Tage sein.
Wir schauen durch sie hindurch
vorwärts auf ein Licht,
zu dem wir jetzt schon gehören
und das uns nicht loslassen wird.

Darauf zu vertrauen, würde nicht alle Not hinwegfegen, aber es könnte ein Weg aus Ohnmacht und Angst heraus sein.  Zumindest ein erster, verheißungsvoller Schritt.

 

Sonntag, 21. Februar 2021

Ralf Wieschhoff

Darauf freu´ ich mich !
Es wird Frühling. Schneeglöckchen, Krokusse und einige andere Frühblüher sprießen aus der Erde, Forsythien und die Zaubernuss warten auf wärmere Tage, um ihre Blüten und frischen Farben hervor zu bringen. Das Leben geht weiter im ewigen Kreislauf der Jahreszeiten.
Auch unser kirchliches Leben geht weiter. Am 17. Februar begann mit dem Aschermittwoch die siebenwöchige  Passionszeit. Eine Zeit, in der wir der Ereignisse in den letzten Tagen vor Jesu Tod gedenken: Sein Einzug in Jerusalem unter großem Jubel, die Einsetzung des Abendmahles, aber auch der Verrat des Judas, die Einsamkeit Jesu in Gethsemane, seine Verhaftung, sein Verhör und seine Verspottung, die Leugnung des Petrus, der Weg nach Golgatha, der Tod am Kreuz und seine Grablegung.
Und dann, am dritten Tag nach seinem Tod: Frühmorgens das leere Grab, die Begegnung mit dem Auferstandenen – Ostern! Maria und die anderen konnten es nicht fassen, dass Jesus wieder lebt, dass er sich ihnen zeigt, sie anspricht und sich sogar berühren lässt. Und plötzlich: Was für eine Freude! Nach den Tagen enttäuschter Hoffnungen und nach dem Todestag neues Leben, Quelle neuer Hoffnung und Freude.
Ob wir auch einmal so froh werden wie die Jünger, als sie Jesus am Ostermorgen sahen? Noch sind wir von den Leidenserfahrungen geprägt: Die Einschränkungen, die in verschiedener Form seit nun schon einem Jahr (16. März 2020) gelten. Die Zeiten der Besuchsverbote und der Quarantäne, die Sorge um liebe Menschen, auch die fehlenden Gottesdienste. Alles das berührt uns noch. Wir können es nicht einfach loslassen und vergessen. Mit diesen Erfahrungen und Gedanken gehen wir unseren Lebensweg weiter. Getragen und gestärkt von vielen Menschen und auch von Worten. Wir spüren, dass wir eine Perspektive brauchen, Hoffnung und Zuversicht.
Dazu finde ich die Worte des Apostels Paulus aus dem Römerbrief sehr passend:
„Wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott uns geben wird. Nicht allein das, wir rühmen uns auch der Trübsale, weil wir wissen, dass Trübsal Geduld bringt, Geduld aber bringt Bewährung, Bewährung aber bringt Hoffnung. Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist.“ (Römerbrief, Kapitel 5, Verse 2 bis 5)
Nicht sich im Schweren verlieren, nicht sich lähmen lassen. Sondern zusehen, wie wir in kleinen Schritten und Blicken nach vorne sehen und gehen können. Dazu lädt Paulus ein. Versucht es, ihr könnt es, schreibt er. Denn Gott hat uns durch den Heiligen Geist eine Hoffnung gegeben, die weit über alle Bedrängnisse der Gegenwart hinaus reicht. Wenn Ihr Euch seiner Liebe erinnert, gewinnt Ihr eine Kraft, die Mut macht und Hoffnung stärkt.
Sieben Wochen dauert die Passionszeit, darauf folgt sieben Wochen lang die österliche Freudenzeit. Auf Ostern freue ich mich. Auf den Osterjubel, auf den Sieg des Lebens. Und auf den 14. März. Am Sonntag „Laetare“ (Freut euch), mitten in der Passionszeit ein Freudentag. Ab dann wollen wir wieder Gottesdienste feiern, beginnend am 14. März, dem Laetaresonntag, in der Lutherkirche.


Ralf Wieschhoff

 

 

 

Sonntag, 14. Februar 2021
Britta Hülsewig

Wir feiern die Liebe! So bin ich per Werbemail heute daran erinnert worden, dass  Valentinstag ist. Und das war in den letzten Tagen nicht die einzige Aufforderung, den Liebsten ein Geschenk zu machen, das von Herzen kommen soll. Blumen oder Parfüm oder – wenn es etwas teurer sein darf – auch Schmuck. Es hat sich eingebürgert, dass der Valentinstag eine Gelegenheit ist, das eigene Herz zu verschenken und das auch deutlich zu zeigen.

Aber wer ist eigentlich dieser Valentin? Den Erzählungen nach hat der heilige Valentin wahrscheinlich im dritten Jahrhundert nach Christus gelebt. Das Christentum als Religion war zu dem Zeitpunkt verboten, Paare durften nicht kirchlich heiraten. Doch Bischof Valentin widersetzte sich. Entgegen des Verbots von Kaiser Claudius II. soll er Verliebte christlich getraut und ihnen anschließend Blumen aus seinem Klostergarten geschenkt haben. Valentin wollte sich nicht verbieten lassen, seine Religion auszuüben, dafür wurde er am 14. Februar 269 in Rom hingerichtet. Später machten die Menschen seinen Todestag zu einem Feiertag für die Liebenden.
Der Valentinstag ist also keine Erfindung des Handels, sondern wirklich ein Tag, an dem die Liebe gefeiert wird.

Und Liebe ist nicht nur ein rosarotes Gefühl, dass zwei Menschen miteinander verbindet. Liebe ist etwas ganz Handfestes. Paulus hat diese Liebe in seinem Hohelied der Liebe besungen: Wenn ich in den Worten der Menschen redete und sänge in der Sprache der Engel und hätte keine Liebe in mir, ich wäre nur eine tönende Glocke oder eine gellende Schelle. Wenn ich Gottes Gedanken kennen würde und alle Geheimnisse wüsste,
wenn ich alle Weisheit der Welt besäße, und mein Glaube die Macht hätte, Berge zu versetzen, und keine Liebe wäre in mir, so wäre ich nichts.
Die Liebe ist ausdauernd und freundlich, sie kennt keine Eifersucht, sie prahlt nicht, will nicht auf ihre Kosten kommen. Die Liebe verletzt nicht. Sie sucht nicht ihren eigenen Vorteil; sie wird nicht verbittert durch schlechte Erfahrungen.
Die Liebe rechnet niemandem Böses an, sie trauert über das Unrecht und freut sich über die Wahrheit. Die Liebe trägt alles, glaubt alles, hofft alles.
Die Liebe hört niemals auf. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.(1. Korinther*innen 13)
Oft wird dieser Text bei Hochzeiten gelesen. Er ist aber damals vor fast 2000 Jahren nicht für ein Leben zu zweit geschrieben worden. Der Apostel Paulus wollte der ganzen christlichen Gemeinde deutlich machen, was im Leben zählt und wie wichtig es ist, das eigene Leben aus der Liebe heraus zu gestalten. Dabei schreibt Paulus nicht vor, sondern er beschreibt, vor allem die Liebe. Vorschreiben kann er ja auch nichts, denn Liebe lässt sich nicht einfach machen – das wissen wir wahrscheinlich alle aus der einen oder anderen schmerzlichen Erfahrung.
Liebe lässt sich nicht machen, aber sie lässt sich „üben“. „Liebe üben“ - das ist ein schöner Ausdruck dafür, wie ein Leben in Liebe gelingen kann. Die Liebe üben – nicht nur am Valentinstag. Sondern an den anderen 364 Tagen im Jahr auch. Nach unserem Glauben ist Gott selbst die Liebe – und wenn wir in der Liebe bleiben, dann ist Gott in uns und bei uns (1. Johannes 4,16). Und das gilt nicht nur für Verliebte – Liebende sollen und können wir alle sein, egal wie unser Beziehungsstatus gerade aussieht.

 

Sonntag, 7. Februar 2021

Angela Dicke


„Ein besonderer Blick“

Beim Aufräumen meines Arbeitszimmers habe ich ein altes Bild entdeckt:
Wachsmalkreide, dicke Striche, satte Farben, einfaches Papier – eine Kinderzeichung. Eine Frau, lächelnd, große Augen, ausgebreitete Arme, im Talar. Dick gemalt auch die Unterschrift: Frau Dicke. Ein Bild, das vor vielen Jahren ein Mädchen aus dem Kindergarten gemalt hat. So, wie sie mich damals gesehen und erlebt hat.
 
Stellen Sie sich vor, jemand gibt Ihnen Stifte und Papier mit dem Auftrag:
zeichnen Sie sich selbst, so wie Sie sind, möglichst lebensnahe.

Und dann setzen Sie sich hin und überlegen erst einmal eine Weile, wie anfangen,
wie sehe ich denn aus,
was ist typisch für mich,
was bin ich eigentlich für ein Mensch und wie kann ich das darstellen –
und dann legen Sie los.

Und so nach und nach entsteht ein Bild,
nicht unbedingt so genau wie ein Photo, aber vielleicht doch so, dass es Ihnen einigermaßen ähnlich sieht.

Sie betrachten es, sehen noch mal genauer hin und vielleicht verändern Sie hier und da etwas:
ein paar Falten weniger,
den Mund mehr zum Lächeln gebracht,
die Figur etwas schlanker,
die Haltung aufrechter,
die Frisur fülliger.

Korrekturen, die die ganze Gestalt angenehmer erscheinen lassen, attraktiver, das kritische Auge weicht dem wohlwollenden Blick.
Sehr verständlich, sich selbst in einem gnädigeren, milderen Licht sehen zu wollen, Ecken und Kanten wegzuschleifen, allzu Knittriges und Müdes zu übermalen.

Verständlich, aber ist das auch richtig, angemessen, und ist es notwendig, damit wir uns selbst ertragen, vielleicht sogar positiv abheben von anderen?

Auf einem Graffiti war eine ganz andere Botschaft zu lesen – Jemand hatte auf eine Wand gesprüht:
„Leben ist: zeichnen ohne Radiergummi.“

Nichts wegradieren, auslöschen, sondern das Leben annehmen mit allem, was gewesen ist und was Spuren im Inneren und Äußeren hinterlassen hat. Den Zorn auf der Stirn ebenso wie die Lachfalten im Augenwinkel, den wachen Blick im alten Gesicht, den Kummerspeck der schwierigen Jahre, die leicht gebeugte Haltung des Erfahrenen, der sich nicht unterkriegen lässt. Eine dünne Narbenlinie, die an die überstandene Operation erinnert, der Mund, in dem sich das Lachen und das Bittere mischen.

Leben ist zeichnen ohne Radiergummi –
Das meint, sich zu betrachten mit allen Erinnerungen und Erfahrungen, der Ansammlung von Gefühlen und Entscheidungen, von dem, was wir selbst aktiv beeinflusst haben und dem, was uns zu-gewachsen ist. Alles Schöne und Schmerzhafte, Liebevolles und Verletzendes hat uns reifen lassen und zu der Person geformt, die wir jetzt sind. Also weg mit dem Radiergummi, wenn wir ein Bild von uns – und von anderen – zeichnen wollen. Ein bisschen Mut braucht es dazu schon! –

Den könnte uns ein Vers aus dem 8. Psalm zusprechen:
„Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“

Wer sich das von Gott sagen lässt, unverlierbaren Wert und unantastbare Würde bescheinigt bekommt, wer sich im Urgrund seiner Seele, in den geheimsten Winkeln angesprochen und angenommen weiß, kann sich selbst offen und ehrlich betrachten – mit allem, was ihm gelungen und woran er gescheitert ist. Gott braucht keine vollkommenen Menschen, sondern aufrichtige, keine Helden, sondern solche, die sich ihrer Bedürftigkeit bewusst sind und gerade deshalb empfindsam sind gegenüber den Schwächen anderer.

Also nur Mut:
nehmen Sie sich in einer stillen Stunde ein Blatt Papier, ein paar Stifte und versuchen Sie sich mal an Ihrem höchst eigenen Bild.

 

Sonntag, 31. Januar 2021

Hans-Jürgen Drechsler

 

„Mein Gott, Walther“

Wer kennt sie nicht – diese Liedzeile. Die Älteren sowieso, aber auch ganz viele Jüngere. Mit diesem Lied wurde Mike Krüger 1975 bekannt.

Walther ist jemand, bei dem alles schief geht. Was er auch anfasst und probiert – er scheitert grandios, und alle sagen dann nur: Mein Gott, Walther.

Das Lied ist humorvoll angelegt und übertreibt so sehr, dass man natürlich keinen wirklichen Menschen hinter Walther vermutet. Aber die Erfahrung, dass ganz vieles im Leben schief geht, dass Menschen sogar wirklich scheitern in ihrem Leben – die gibt es.

Walther erntet in diesem Lied mit dem Satz „Mein Gott, Walther“, gleichzeitig Mitleid und Kopfschütteln über seine Unfähigkeit.

Eine Strophe (eine harmlose):

Walther liebte sein Leben, war meist unbeschwert,
und wenn er mal was machte, machte er’s meist verkehrt.
Beim Frühstück warf er die Kaffeekanne um,
zum Glück war’s nur kalter.
Marie sagte wieder einmal:
Mein Gott! Walther.

Bei Walther geht also alles schief, er macht alles verkehrt.

Was hier sehr lustig beschrieben wird, ist leider für manche Menschen die bittere Wirklichkeit. Sie bemühen sich, ihr Leben in den Griff zu bekommen, und doch geht meistens alles schief. Der Job geht verloren, die Beziehung geht kaputt, und manchmal verliert jemand dann auch noch sein Zuhause.

Nun muss nicht alles auf einmal schief gehen, aber wenn öfter einiges schief geht, reicht das ja schon. Und die Lebenszuversicht geht dann zunehmend verloren. Man traut sich immer weniger zu, weil ja doch alles keinen Sinn zu haben scheint.

Da würde so ein Lied natürlich auch nichts helfen. Es macht nur auf Menschen aufmerksam,  die scheitern, ohne eine Lösung anzubieten.

Aber ich schreibe hier ja eine Andacht. Da kommt dann natürlich Gott ins Spiel, und dann sieht das Ganze doch anders aus. Gott kommt zwar auch in Mike Krügers Lied vor, aber nur als Redewendung.

Der wirkliche Gott ist natürlich mehr als eine Redewendung.

Der kann nämlich auch Menschen helfen, bei denen ganz viel oder sogar alles schief geht.

In der Bibel gibt es einen Vers, der sagt: Ich will das geknickte Rohr nicht zerbrechen (Jes.42,3).

Also: Gott hat keinen Spaß daran, dass Menschen scheitern. Vielmehr will er ihnen neue Lebensperspektiven schenken. Wenn Jesus einen Gelähmten heilt (Markus 2, 1ff), dann bedeutet das, dass er einem Menschen, der nichts mehr von seinem Leben zu erwarten hat, eine neue Lebensperspektive schenkt. – Nun passieren heute nur selten Wunderheilungen, aber diese biblische Erzählung macht auch deutlich, dass bei Jesus Dinge möglich sind, die man sonst nicht für möglich hält. Und daher kann Jesus auch Menschen neue Wege zeigen, die am Ende sind oder sich gar nichts mehr zutrauen. – Oftmals handelt er dabei durch andere Menschen.  Die helfen dem Gescheiterten dann wieder auf und ermutigen ihn, neue Schritte zu wagen. Und oftmals gelingt dann auch ein Neuanfang. Ich vertraue jedenfalls fest darauf, dass Gott auch jemanden wie den Walther aus unserem Lied geholfen hätte (wenn der Walther denn eine reale Person gewesen wäre).

Und reale Menschen können von diesem realen Gott auch wirklich Hilfe erwarten. Darum kann ihn jede und jeder bitten. Und Gott erhört aufrichtige Gebete.

Übrigens hat Mike Krüger diesen Liedtext in seinem Grundbestand schon mit 16 Jahren geschrieben, ohne zu wissen, dass es sieben Jahre später ein Hit würde. Er selbst hat als Kind und Jugendlicher meistens schlechte Zeiten erlebt und nicht damit rechnen können, dass er einmal berühmt und reich würde. Da mag in diesem Lied auch die Erfahrung des Jugendlichen stecken, dass vieles schief geht, das man probiert. Aber es kann auch besser werden. Das hat er dann später so erlebt. Und auch wenn man nicht berühmt wird, darf man die Hoffnung haben, dass nach schwierigen Zeiten auch bessere Zeiten kommen und das Leben wieder auf guten Bahnen verläuft.

AMEN

 

Sonntag, 17. Januar 2021

Britta Hülsewig

Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir.
1. Könige 19,7

 

 

Er liegt unter einem Ginsterstrauch und will sterben. Elia, der Prophet. Voll ausgebremst. Nur noch müde. Am liebsten die will er sich die Decke über den Kopf ziehen und nichts mehr hören und sehen.

Es gibt Zeiten, da geht es uns wie Elia. Weil nichts mehr so ist, wie es vorher einmal war.
Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir, sagt der Bote Gottes zu Elia.
Ja, der Weg ist weit, und wir wissen nicht, wann er zu Ende sein wird.
Ja, der Weg ist mühsam. Niemandem fällt es leicht, mit dieser Pandemie zu leben. Auch wenn die Belastungen sicher nicht auf allen Schultern gleich verteilt sind.
Ja, es ist mühselig, wenn ich allein in meiner Wohnung lebe und keine Begegnungen mehr möglich sind. Ja, es ist mühselig, wenn wir als Familie zusammenleben und alles unter einen Hut bringen müssen – Beruf und Kinder und Haushalt und, und und … Ja, es ist mühselig, wenn wir immer wieder Pläne machen für das, was wir tun wollen, und dann diese Pläne nicht zu realisieren sind. Weil die Infektionszahlen uns einen Strich durch die Rechnung machen. Ja, es ist mühselig, Hoffnung zu behalten, wenn man beruflich völlig ausgebremst wird. Ja, es ist mühselig, wenn ich schon seit Monaten Unglaubliches leiste in meinem Beruf in der Pflege, im Lebensmittelhandel, in der Post- und Paketzustellung. Ja, ich kann nicht einmal annähernd alle Belastungen aufzählen, die es in dieser Zeit gibt, und schon gar nicht bewerten, was am schlimmsten ist.

Wo ist die Perspektive? Wie lange sollen wir noch auf Distanz zu den Menschen leben? Zu denen, die doch eigentlich zu uns gehören und wir zu ihnen. Und auch zu denen, denen wir sonst immer wieder im Alltag begegnen. Und wie geht es überhaupt weiter?

Steh auf und iss! Du hast einen weiten Weg vor dir! Elia braucht lange, um diesen Satz zu verstehen. Zuerst realisiert er nur, dass es selbst in der Wüste Nahrung gibt.
Aber Brot und Wasser allein können nicht die Kraft geben, durchzuhalten und neu anzufangen. Entscheidend ist vielmehr der zweite Satz: Du hast einen weiten Weg vor dir! Es gibt also einen Weg, auch wenn dieser Weg ein langer Weg sein wird.
Auch unsere Situation ist nicht ausweglos. Was ist richtig? Was ist wichtig und wesentlich? Denken wir alle nur an uns und unsere eigenen Fragen und Probleme? Oder schaffen wir es, auch die Probleme der anderen mit in den Blick zu nehmen? Sind wir nur müde und resigniert oder lassen wir uns anrühren und Kraft geben, den langen Weg gemeinsam durchzustehen und dabei zusammenzuhalten?
Gottes Kraft ist da – manchmal mit ganz einfachen Mitteln: ein frisch gebackenes Brot und ein Krug frisches Wasser. Gottes Kraft ist für uns da – manchmal als Bot:in, die uns sanft anstupst oder auch weniger sanft aufrüttelt. Gottes Kraft ist da – weil Gott uns nicht aus dem Blick verliert, egal wo und wie wir gerade unterwegs sind.

 

Sonntag, 10. Januar 2021
Angela Dicke

 

Sie liegen überall am Straßenrand – die Tannenbäume.
Kleine und stattliche,
schon ziemlich gerupfte und noch gut benadelte.
Derzeit werden sie eingesammelt. Zurück bleibt ein Häufchen Nadeln am Boden, manchmal ein Sternchen, ein verharzter Kerzenclip.

Ein melancholisch stimmender Anblick – das Fest ist vorbei.
Diese Stimmung hat Hans Christian Andersen in seinem Märchen vom Tannenbaum eingefangen –
die große Fallhöhe vom strahlenden Lichterbaum inmitten der feiernden Familie hin zum abgeschmückten, achtlos weggeworfenen Baum.

„Es war doch alles so schön und ich dachte, es würde ewig dauern!“, so beseufzt der kleine Baum sein Schicksal.

Da kann ich einstimmen – vielleicht gerade in dieser Zeit mit dem so anderen Weihnachtsfest. Ich habe das warme Licht der Kerzen noch mehr als sonst genossen, den Lichterbaum als Symbol für das, was trotz alledem möglich war und bleibt.

Und gerade in diesem  Jahr fällt es mir schwer, Sterne und Kugeln und Kerzenhalter abzunehmen und in den Kisten zu verstauen,  den Baum in den Garten zu stellen und zu sehen, wie er immer kahler wird.

Der Glanz ist fort.
Was bleibt?

Ich sitze im leerer gewordenen Wohnzimmer und erinnere mich an Weihnachten.

Ich denke an das Überreichen und Empfangen der Geschenke – mit denen wir einander gezeigt haben:
du bedeutest mir etwas, ich will dir eine Freude machen.

Ich denke an das warme Kerzenlicht, das unsere Gesichter beschienen hat – wir tauchen einander in gnädiges Licht und wollen selbst zum Licht werden für die anderen.

Ich denke an gemütliche Mahlzeiten miteinander, an festliches Weihnachtsessen, wenn auch im kleinen Kreis – kein hastiges Abendbrot, sondern lange gemeinsam essen und trinken, dabei erzählen,
die Ruhe, das Miteinander genießen –
sich Besonderes gönnen.

Ich erinnere mich an manche Geste – ein unerwarteter
Brief von einer alten Freundin, ein kleines Dankeschönpäckchen vor der Haustür, ein Telefonat,  unaufgeforderte Mithilfe im Haushalt –
das tat gut, das hat mich gefreut.

Ich denke an das Hören und Lesen der  Weihnachtsgeschichte, wie der Evangelist Lukas sie erzählt und was mich daran in diesem Jahr besonders berührt hat –
Gottes Wohnungnehmen in der unbehausten Welt, neuer Anfang, wo alles schon zuende gedacht scheint.

Weihnachten ist vorbei, was bleibt?

Der Glanz bleibt, den dieses Fest mit sich bringt, wenn wir es verständig und sorgsam feiern.
Noch die Erinnerung an das Gute wärmt und stimmt uns freundlich.

Erinnerung auch an die Momente in unseren Offenen Kirchen, wenn zu spüren war:
Gott lässt uns ein Licht aufgehen
und es soll nicht nur in dieser einen Nacht scheinen,
es soll uns begleiten wie der Stern am Himmel,
der über der Krippe seinen Lauf bis zu uns,
zu allen Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten machte.

Erleuchtung geschieht uns, nicht nur an Weihnachten, aber von Weihnachten her.
Die Erinnerung setzt uns auf die Spur nach vorn.
Und wir sind auf dem Weg, dieses Licht aufzunehmen und gegen alles Finsterliche zu stellen, das das Leben verdunkelt.
„Gott ist mein Licht und mein Heil“, ruft im 27. Psalm einer laut aus–
„Vor wem, vor was sollten wir uns fürchten!“.
Und ich hoffe, dass mich seine Zuversicht ansteckt in den Tagen, die vor uns liegen.

 

Freitag, 1. Januar 2021

Hans-Jürgen Drechsler

Jahreslosung 2021
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lukas 6,36)

Wenn in der Bibel von barmherzig oder Barmherzigkeit gesprochen wird, denken wir oftmals an den barmherzigen Samariter. Er ist ein Mensch, der dem, der Hilfe braucht, einfach hilft – ohne Wenn und Aber. Andere gehen vorbei, lassen den Menschen, der da überfallen wurde, liegen, sind mitleidlos und unbarmherzig, aber er hat Mitleid und hilft. Der barmherzige Samariter (Lk. 10, 25-37) ist sozusagen der Prototyp eines barmherzigen Menschen.
Barmherzigkeit hat mit Zuwendung zu tun. Wer barmherzig ist, der sieht den anderen Menschen mit seiner Not ganz klar und deutlich. Barmherzigkeit ist nicht nur etwas, das man tut, sondern auch eine innere Einstellung, ein Wesenszug, könnte man sagen. Wenn man aus dem griechischen Urtext genau übersetzt, heißt es nämlich:
Werdet Barmherzige, wie auch euer Vater ein Barmherziger ist.
Ein Barmherziger zu sein ist noch mal etwas anderes als barmherzig zu handeln. Wer ein Barmherziger ist, kann nur barmherzig handeln. Etwas anderes ist gar nicht möglich.
Solche Menschen sollen die Hörerinnen und Hörer Jesu werden. Und ein weiteres Merkmal von Barmherzigkeit ist, dass ein Barmherziger ohne Hintergedanken und Berechnung handelt. Er erwartet nichts, sondern handelt einfach, ganz egal, wer die Hilfe braucht, ob jemand zu meinem Volk, meiner Religion, meiner Familie, zu meinen Freunden gehört oder nicht. Ein Barmherziger handelt ohne Ansehen der Person.
So zu handeln können wir nicht aus uns selbst, sondern nur mit der Kraft und Liebe Gottes, die er in unserer Herz ausgegossen hat. Durch ihn können wir Barmherzige werden und bleiben.
In Krisenzeiten ist Barmherzigkeit besonders wichtig, da in solchen Zeiten Fehler gemacht werden und außerdem Menschen in Not geraten, die jetzt Barmherzigkeit, also tätige Hilfe,  brauchen.
So wünsche ich Ihnen, dass Sie im neuen Jahr in diesen schwierigen Zeiten auf Menschen treffen, die Barmherzige sind und selbst ein Barmherziger/eine Barmherzige sein können.
Gott segne und behüte Sie.

 

Sonntag, 8. November

Angela Dicke

Wenn die Sonne sinkt

Ein Blick auf das Bild lädt zu einem Spaziergang durch eine abendliche Landschaft ein - zugleich auf einen inneren Spaziergang durch die Seelenlandschaft dieser Tage.

Wir sehen eine abendliche Naturaufnahme, mit vielen Wolken, die von der untergehenden Sonne angeleuchtet werden.
Der untere Bildrand liegt ganz im Dunklen – nur mit Mühe sind Orientierungspunkte auszumachen.  Bäume, Häuser – mehr schemenhaft als deutlich. Sie liegen wie geduckt unter einem weiten Himmel, fast wie zusammengepresst von der breiten Wolkenfront darüber. Sie hält alles Licht davon fern.

Regenschwer wirken die Wolken, senken sich über die dunkle Welt.
Wir kennen solche Stimmungen – die letzten Blätter des goldenen Oktober wirbeln durch die Straßen, verlieren die Leuchtkraft. Die Energie der Sonne, durch die sie sich einst entfaltet haben, verlöscht. Früh wird es dunkel und kalt weht der Wind ums Haus.
Die zu Ende gehende Vegetation greift auch unsere Herzen an: wir erleben Einschränkendes.
Rückzug allerorten: in unsere Wohnungen, in uns selbst, gerade in diesen Tagen fällt uns das besonders schwer.
Die Feste des Kirchenjahres scheinen diese Stimmung zu bestätigen:
Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Totensonntag.
Besinnung, Nachdenkliches, Vergegenwärtigung, dass alles Leben endlich ist. Jeder von Ihnen hat eigene Gedanken und Erfahrungen dazu, hat Abschiede erlebt und bittere Erlebnisse, die das eigene Leben geprägt haben.
Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen – wir empfinden die Wahrhaftigkeit dieses Satzes und das mag einen Sog der Trübnis auslösen. Können wir uns dem entziehen? Sollen wir uns dem entziehen?
Gehört es nicht zu einem aufrichtigen Leben dazu, das Vergehen zu bedenken? Und: steht es im Widerspruch zur Feier des Lebens, die uns Christen aufgegeben ist?

Wenn Sie das Bild betrachten, fällt Ihnen vielleicht auf, dass dort, wo die Wolken am tiefsten hängen, wo es am dunkelsten ist, zugleich die Sonne am kräftigsten aufleuchtet. Ihr warmes Spektrum roter und goldener Farben ist nicht völlig verdeckt.
Als ließe sich nicht unterkriegen, sendet sie ihr Licht über alle düsteren Wolken, lässt sich auch denen sehen, die in den Häusern im Dunklen wohnen.
Mit großer Kraft strahlt sie die lichten Wolken im hohen Himmel an,
dort löst sich auf, was belastend erscheint –
im lichten Blau und den freundlichen Wattewölkchen liegt eine Erinnerung an andere Zeiten, voller Lebendigkeit und Fülle und zugleich die Verheißung eines neuen Tages.
Mitten im Tod sind wir vom Leben umgeben – das ist für uns Christen auch eine Wahrheit, die nicht verloren gehen soll, auch nicht in dieser Zeit.
Die warmen Farben der Sonne erinnern uns an wärmende Erfahrungen,
an Begegnungen mit anderen, in der wir etwas gespürt haben von Fülle und Lebendigkeit, von Lust und Kraft.


Lebenserfahren wissen wir: beides gehört zu unserer Erdenzeit.
Niemals gibt es das Leben rein, ausschließlich, nie nur Freude und Glanz oder nur Vergehen und Bekümmernis.

Verheißen ist uns ein Leben, das nicht mehr vergeht, das auch vom Tod von seiner Wucht oder seinen zähen Kraft nicht überwunden werden kann.
Wenn wir genau hinsehen, künden auch die trübe erscheinenden Kirchenfeste davon; Umkehr zu einem Leben in Gottes Kraftfeld wird zum möglichen Weg und in der Trauer über alles Vergehen steckt schon der Keim der Hoffnung und der Freude.

Im Buch der Offenbarungen des Johannes (Kap 1,7) wird es so gesagt:
„Siehe, er kommt mit den Wolken und es werden ihn sehen alle Augen.
Ich bin das A und das O, spricht Gott, der Herr,
der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige“.

 

 

Sonntag, 1. November 2020

Hans-Jürgen Drechsler

 

„Nun halten wir dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“
 Röm. 3, 28

Dieser bekannte Bibelvers ist für Martin Luther ganz zentral. Den Reformationstag haben wir ja gerade am letzten Tag des vorherigen Monats wieder gefeiert. An diesem Tag erinnern wir uns daran, dass Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht hat, die als Auslöser der Reformation in die Geschichte eingegangen sind.
Martin Luther hatte erkannt, dass nicht die menschliche Leistung, nicht die menschlichen Werke, ihn vor Gott gut oder gar gerecht dastehen lassen. Nein, allein Gottes Gnade rettet den Menschen. Unsere Rettung vor Tod und Verderben ist ganz Geschenk.
Viele Jahre hatte Martin Luther gedacht, er müsse bestimmte Leistungen vollbringen, um Gott zu gefallen. Ganz verzweifelt war er. Und dann erkannte er beim Lesen des Römerbriefes und dieser Bibelstelle, dass alles menschliche Bemühen nichts ausrichtet. Ganz allein Gott rettet uns durch Jesus Christus, der am Kreuz für uns gestorben ist. Diese Botschaft verkündigte er seither.
Nun ist das schon 500 Jahre her, aber ich finde diese biblische Botschaft, die Luther wieder hervorgehoben hat, gerade heute besonders aktuell.
In einer Zeit, in der es darum geht, immer besser zu werden, sie immer mehr zu optimieren, alles aus sich herauszuholen, in dieser Zeit, ist es gut zu wissen, dass wir von Gott als Menschen mit allen Fehlern und Schwächen angenommen sind. Vor ihm brauchen wir uns nicht zu verstellen oder gar durch besonderes Tun in ein vorteilhaftes Licht zu stellen. Er kennt uns ja sowieso. – Wir können ganz gelassen sein und auf seine Gnade hoffen, die er uns schenkt. Darauf können wir unser Vertrauen setzen.
Dass wir dennoch auch praktisch etwas tun sollen, ist damit nicht abgelehnt. Aber mit unserem Tun verdienen wir nicht Gottes Gnade. Es ist wie bei Kindern und Eltern: Kinder sind Kinder ihrer Eltern. Sie müssen sich das nicht erst verdienen. Und so müssen wir uns unsere Gotteskindschaft auch nicht verdienen. Wir sind Gottes Kinder, und dann können wir daraus folgend auch so leben wie Gottes Kinder, nämlich einander und anderen Menschen in Liebe begegnen. Das kann konkret für die verschiedenen Menschen Verschiedenes bedeuten, aber die Liebe ist der Maßstab. Auch in diesen Tagen gilt das, dass wir aufeinander achten und uns helfen, durch diese schwierige Zeit zu kommen.

 

Montag, 27. Oktober 2020

Ralf Wieschhoff

Im Schweiße deines Angesichts
„im Schweiße deines Angesichts“ – das ist in unsere Gesellschaft ein Ausdruck, der an Mühe und Anstrengung erinnert.  „Verflucht sei der Acker um deinetwillen. Mit Mühsal sollst du dich nähren von ihm dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde werdest, von der du genommen bist.“ – Martin Luther hat die Worte aus der Sündenfallgeschichte ( 1. Mose 3,8-10) so treffend übersetzt,  dass wir uns auch Generationen später in Ihnen wiederfinden können.
Mühsal macht das Leben aus und sogar das Essen des Brotes, ein Grundbedürfnis des Menschen, ist auch heute für viele nicht ohne Anstrengung möglich. Das Paradies ist verschlossen, das Leben ist hart geworden, so erzählt es die Bibel. Da können auch wir zustimmen: : So ist es. Und noch andere Sprüche und Sprichworte hinzufügen: „ Ohne Fleiß keinen Preis.“Wer nicht arbeitet soll nicht essen“ und manches mehr.                                                                                                                                                                                                  
Mühsam ist das Leben.                                                                                                                                                                        
Zum Glück gibt es aber auch die andere Sicht auf das gleiche Leben:“ Ich danke dir, Gott, dass ich so wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werk, das erkennt meine Seele“ so heißt es im Psalm 13 (Vers 14). „ Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz für den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst, dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot des Menschen stärke“ (Psalm 104, 14 u. 15) Die Freude gehört zu Leben ebenso dazu. Auch dem können wir zustimmen. Ohne Freude und Fröhlichkeit ist das Leben kein Leben. Wie viele Momente gibt es , in denen wir das Leben genießen, etwas von der Fülle des Lebens fühlen und wahrnehmen.
Das Leben ist schön!
Oft können wir den Wert des Einen nur durch die Präsenz des Anderen erkennen: Wie gut tut es, sich nach erfolgreicher Arbeit ausruhen zu können. Weil wir anstrengende Arbeitstage kennen, wissen wir die Freizeit besonders zu schätzen. Wir nennen es ein glückliches Leben, wenn wir beides, Mühsal und Genuss in einem guten Verhältnis zueinander haben. „ Unser Leben währet 70 Jahre und wenn es hoch kommt, so sind es 80 Jahre. Und was daran köstlich erscheint ist Mühe und Arbeit gewesen.“ Dieser Vers aus dem 90. Psalm ( Vers 10) benennt die Zusammengehörigkeit von Arbeit und Genuss. Zugleich weckt er Widerspruch. Das zeigen die verschiedene Überlieferungen und Übersetzungen des Verses.
Auf das eigene Erleben und Wahrnehmen kommt es an, wie wir unser Leben bewerten. Wäre es nicht schade, wenn am Ende nur ein Seufzer stünde? Wäre es nicht viel schöner, sagen zu können:  „Es ist oft mühsam gewesen , aber ich habe es sehr genossen!“
„ Im Schweiße deines Angesichts“ -  das ist das Jahresthema der Männerarbeit in Westfalen für das kommende Jahr.  Lassen wir uns auf Entdeckungen und neue Erkenntnisse ein.  Von Angesicht zu Angesicht, so kann Gott mit manchen Menschen  und so können Menschen miteinander sprechen. Egal, wie verschwitzt wir manchmal sind. Bitten wir Gott darum, dass er uns sein Angesicht  freundlich zuwende, uns gnädig sei und uns seinen Frieden schenke.
Ralf  Wieschhoff      

 

Donnerstag, 1. Oktober 2020 - Erntedank

Britta Hülsewig

„Da nich für“ sagt man bei uns oft, wenn sich jemand bedankt. Und meint:: Ist nicht der Rede wert, habe ich gern gemacht. Ich selbst sage das auch immer mal wieder, obwohl mir eigentlich die Antwort „Gern geschehen“ besser gefällt.
Ich gebe es zu: Ich mag das Danken. Dank ist eine Antwort. Auch wenn mancher Dank leichthin geäußert wird, ja selbst, wenn einem etwas geradezu selbstverständlich erscheint, was man bekommen hat. Warum nicht doch ein „Dankeschön“ dafür? Ich finde nicht, dass es das Danken „abnutzt“, wenn man es oft und leichthin tut. Ich mag das Danken.
Wenn ich dankbar bin, bete ich gern ein Dankgebet, gelegentlich auch nur ein knappes, aber ernstgemeintes Gott-sei-Dank. Das ist für mich nicht nur so eine Redensart, sondern ein kurzes Gebet. Es lässt mich innehalten und noch einmal bewusst werden, wofür ich dankbar sein kann. Es ist doch genau das: ein Gebet. Ein aufrichtiger Dank an Gott.
Mir tun Dankgebete gut, weil sie mir bewusst machen, wie viel Schönes ich auch im Alltag erfahre. Beim Beten führe ich das nicht nur Gott, sondern auch mir selbst nochmals vor Augen. Martin Luther nannte Dankbarkeit übrigens "die wesentliche christliche Haltung".
Nicht umsonst wird das Reich Gottes uns mit einem großen Festmahl beschrieben, zu dem Gott uns einlädt: „Hier auf dem Berg Zion wird der Herr, der allmächtige Gott, alle Völker zu einem Festmahl mit köstlichen Speisen und herrlichem Wein einladen, einem Festmahl mit bestem Fleisch und gut gelagertem Wein,“ heißt die entsprechende Bibelstelle (Jesaja 25,6). Was für ein schönes Bild! Wenn man versucht, beim Essen so oft wie möglich ein bisschen von dem versprochenen göttlichen Festmahl durchscheinen zu lassen, muss man einfach genießen. Vor allem bei uns, wo von vielem so überreichlich vorhanden ist.
Wenn das kein Grund zur Freude ist! Und zum Danken!
Und: Gott sagt nicht „da nich für“. Gott nimmt unseren Dank an. Das zeigt sich auch darin, dass das Kirchenjahr ein eigenes Fest dafür kennt: Erntedank, das wir jetzt im Oktober feiern. Ein Fest, das uns daran erinnert, wofür wir dankbar sein können und wem wir alles verdanken. Danken macht reich, weil ich dann spüre und merke, was mir alles geschenkt ist.
Das Gedicht von Albrecht Goes ist für mich auch so ein Dank für alles Schöne, was mir begegnet. Aus solchen Vorräten lässt es sich leben!

Habt Vorrat ihr genug, ihr meine Augen,
Für einen Winter, lang und weiß und grau?
Nehmt noch dies Asternrot, dies weiche Lila,
Dies späte Gelb, dies herbstlich klare Blau.

Und nehmt den Silberglanz der großen Flüge
Des Habichts und des Eichelhähers wahr,
Und auch den Birnbaum nehmt, ein goldnes Gleichnis
Des Überschwangs vom segensreichen Jahr.

Und endlich nehmt das Lächeln und die reine
Strahlung des schönen Menschenangesichts,
Und alle Nacht wird herrlich euch erhellt sein
Vom farbgen Widerschein geliebten Lichts.
        Albrecht Goes

 

Sonntag, 13. September 2020

Hans-Jürgen Drechsler

„Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.“

Dieses Bibelwort ist der Abschluss der bekannten Erzählung von der Kindersegnung durch Jesus. Jesus macht mit seinen Worten („Lasst die Kinder zu mir kommen …“) und mit seinem Handeln deutlich, dass ihm die Kinder ganz wichtig sind.
Das „Herzen“ der Kinder bedeutet vom griechischen Text her „in den Arm nehmen“. Das ist etwas, das wir im Moment nur selten tun. Wir nehmen kaum noch jemanden in den Arm: Allenfalls noch in der eigenen Familie geschieht das. Aber zur Zeit Jesu gab es auch noch nicht Corona.
Jemanden in den Arm zu nehmen, bedeutet ja einen besonderen Ausdruck der Zuwendung. Jesus zeigt hier den Kindern, dass er für sie da ist, sie mag und sie ganz naht an sich herankommen lässt, ja sie sogar in den Arm nimmt. Und er legt die Hände auf sie und segnet sie. Das bedeutet ja, dass er ihnen Gottes Schutz und eine gute Entwicklung wünscht.
Nun gilt Gottes Zuwendung und Segen aber nicht nur den Kindern, sondern allen Menschen. Die Kinder sind hier beispielhaft aufgeführt, weil sie zur Zeit Jesu nicht so beachtet wurden. Damit wird ausgedrückt, dass jeder Mensch für Jesus wichtig ist, auch wenn er in der Gesellschaft keine besondere Stellung, kein großes Ansehen hat.
Gottes Segen, vermittelt durch Jesus, gilt auch uns. Auch wir stehen unter seinem Schutz. Und auch unser Leben soll von Gott her eine gute Entwicklung nehmen.
Als Pfarrer spreche ich Gottes Segen den Menschen ebenfalls zu. Im Moment leider nur mit Worten. Eigentlich gehört das Auflegen der Hände auch dazu, z.B. bei der Taufe oder bei der Konfirmation oder bei einer Trauung. Dass das im Moment wegen Corona nicht geht, ist sehr schade. Und es zeigt uns, dass Gottes Zuwendung in Worten und im Handeln besteht, nämlich Segenswort und Handauflegung.  Wenn der direkte Kontakt nicht geht, bleiben die Worte. Sie gelten natürlich dennoch. Der Segen ist auch ohne Handauflegung nicht weniger wert. Aber ich bin froh, wenn die Nähe Gottes auch durch sichtbare Zeichen wieder möglich sein wird. Gottes Segen zeigt sich ja auch sonst nicht nur in Worten, sondern konkret in unserem Leben, wenn wir erfahren, wie er bei uns ist und uns auf unseren Wegen leitet.
So wünsche ich uns allen, dass wir in diesen Zeiten durch Menschen Nähe erfahren, aber vor allem, dass wir Gottes Schutz und Hilfe in unseren ganz unterschiedlichen Lebenssituationen spüren können. AMEN

 

 

Samstag, 5. September 2020

Britta Hülsewig

1. Mose 8,18-22
Da ging Noah mit seiner Familie aus der Arche, und auch die Tiere kamen heraus, alle die verschiedenen Arten.
Noah baute einen Opferaltar für den HERRN. Dann nahm er welche von allen reinen Tieren und allen reinen Vögeln und opferte sie darauf als Brandopfer für den HERRN.
Der HERR roch den besänftigenden Duft des Opfers und sagte zu sich selbst:
»Ich will die Erde nicht noch einmal bestrafen, nur weil die Menschen so schlecht sind! Alles, was aus ihrem Herzen kommt, ihr ganzes Denken und Planen, ist nun einmal böse von Jugend auf. Ich will nicht mehr alles Leben auf der Erde vernichten, wie ich es getan habe.
Von jetzt an gilt: Solange die Erde besteht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.«


Marc Chagall, Noah und der Regenbogen

Ganz am Anfang der Bibel steht die Geschichte der Sintflut, der großen Flut, die Gott über die Menschen geschickt hat und in der alle Menschen umgekommen sind. Gleich am Anfang das Ende. Nicht nur das Ende einer Geschichte, sondern das Ende der Geschichte überhaupt.
Das Ende der Welt schien schon damals unwiderruflich, gleich zu Beginn, als es gerade erst angefangen hatte. Gott will die Menschen vernichten und mit ihnen gleich das ganze Universum. Nichts soll mehr bleiben. So enttäuscht ist Gott über die Bosheit seiner Schöpfung. Die Geschichte erzählt, dass Gott den Plan hat, die Erde auszulöschen, weil sie rettungslos verloren ist. Alle Menschen sind Sünder.
Gleich am Anfang steht also das Schicksal der Menschen auf dem Spiel. Ihre Rettung hängt am seidenen Faden. Gott hat alle Dinge erfunden, alle Lebewesen erschaffen, auch den Menschen – und dann ist er im Begriff, sie alle zu vernichten, mit einem Schlag.
Und er hat diesen Plan ausgeführt – so erzählt es die Bibel. Nur eine Familie wird gerettet. Noah und die Seinen – seine Frau, seine Söhne, seine Schwiegertöchter. Und mit ihnen alle Tiere – von jeder Art ein Pärchen. Denn Noah hat Gnade gefunden vor dem Angesicht Gottes. Als einziger Gerechter seiner Zeit. Noah ist es, der den Auftrag erhält, die Arche zu bauen. Das Schiff, das seine Familie und alle Tierarten retten soll. Die große Flut kommt und tobt über lange Wochen. Doch endlich, langsam sinkt das Wasser. Endlich – nach langen Wochen des Wartens könne Noah und seine Familie und alle Tiere wieder an Land gehen. Fast scheint es, als muss Gott Noah aus der Arche heraus schubsen: „Geh aus der Arche! Geh!. Der neue Anfang lohnt sich!“
Neu anfangen – was bedeutet das nach einer Katastrophe? Wann beginnt wirklicher Neuanfang? Und letztlich – können wir Menschen überhaupt unsere alte Haut abstreifen und noch einmal neu beginnen?
Noah wagt es, die Luken zur Welt noch einmal neu aufzustoßen. Und noch mehr: Er fällt beim Anblick der verwüsteten Erde nicht in Resignation, flüchtet nicht gleich in die Arche zurück. Noah setzt seine Kraft für das Leben nach der Sintflut neu ein.
Nicht – nach mir die Sintflut, sondern nach der Sintflut – ich und meine Verantwortung.
So ist wohl auch zu verstehen, dass Noah als erstes einen Altar baut und Gott opfert und dankt, als er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Als Ausdruck des Dankes – Gott hat ihn bewahrt – und als Zeichen der Zukunft – Gott wird ihn weiterhin bewahren. Der Neubeginn Noahs nach der Flut ist kein Anfang, der das Vergangene, den tiefen Abgrund, vergessen lässt. Deshalb baut Noah nicht erst ein neues Zuhause, sondern einen Altar. Noah und seine Familie sind gerettet, können nach der Katastrophe leben – Gott sei Dank. Gott ermöglicht neues Leben – aber nun ist es ein Leben mit der Katastrophe, mit dem Bewusstsein des Schrecklichen, das geschehen ist.
Noah – ein Beispiel für uns heute?!

Die Geschichte vom möglichen Ende der Menschheit wird in der Bibel gleich am Anfang erzählt.  Aber dann folgt Gottes Versprechen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Solange die Erde steht – das ist keine Bestandsgarantie auf ewig. Gott allein räumt ihr die Zeit ein und setzt die Grenze.
Und Gott wagt mit Noah zusammen einen Neuanfang. Gott riskiert einen neuen Beginn der Geschichte. Das ist das eigentlich Tröstliche dieser furchtbaren Geschichte – zu wissen, Gott gibt uns nicht auf, wir können neue Anfänge wagen und erleben. Trotz uns Menschen und mit uns Menschen wagt Gott einen neuen Anfang. Gott steht treu zu seiner Schöpfung, steht treu zur Menschheit, solange die Erde steht. Und Gott will, dass die Erde bestehen bleibt.
Das eigentlich Erstaunliche an der Geschichte von der Sintflut ist das Verhalten Gottes. Gott tut das Unvorhersehbare. Gott nimmt den Fluch über die Erde zurück. Nicht, weil der Mensch sich geändert hat. Nein – Gott ist es, der seine Einstellung gegenüber den Menschen, gegenüber seiner Schöpfung ändert. Die Geschichte der Sintflut ist nicht die Geschichte der Wandlung oder Erneuerung des Menschen – es ist die aufregende Geschichte der Wandlung Gottes. Gott will die Welt, Gott will die Menschen bewahren. Das steht am Ende dieser Katastrophe. Solange die Erde steht, ist Veränderung ihr Gesicht: Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Es sind Zeichen des Lebens, die Gott hier verspricht: Werden und Vergehen, Blühen und Verwelken, die Wiederkehr von Vertrautem und auch die Wechselfälle des Lebens – die Erfahrung, das Leben nicht in der Hand zu haben, nicht das eigene und nicht das anderer. Von einem störungsfreien, ungefährdeten, ungebrochenen Leben ist nicht die Rede. Am Ende der Sintflut-Geschichte steht die Erinnerung, dass wir alle von einem neuen Anfang herkommen.
Vergessen wir das nicht: Das Leben ist ein Geschenk, jeden Tag aufs Neue. Gottes Wandlung, Gottes neuer Anfang macht uns frei, unser vorsintflutliches Verhalten, unser vorsintflutliches Handeln zu überdenken und zu verändern.
Gott wagt mit uns Menschen einen neuen Anfang – mit uns und trotz unserer selbst. -  Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Eine Botschaft der Hoffnung in der Zeit mit und hoffentlich auch nach Corona!

 

Montag, 31. August 2020
Ralf Wieschhoff

 

Geistliches Wort zum 30.August

Es ist gut, im Leben etwas zu haben, was Sicherheit gibt. Etwas, das ganz fest ist und fest bleibt, auch wenn vieles andere im Leben sich verändert oder verloren geht.

Aber was kann das sein? Gibt es überhaupt etwas, was das ganze Leben über gleich fest und sicher bleibt? – Wir erleben doch eher, wie sich vieles verändert, was manchmal auch gut ist. Und erleben, wie manches, z.B. unsere Kräfte mit zunehmendem Alter weniger werden.

Was ist es, was ein ganzes Leben lang gleich bleibt?
Es kann nicht etwas in uns sein, dafür verändern wir uns im Laufe der Jahrzehnte zu sehr. Es muss etwas außerhalb unser sein.

Die Treue Gottes ist es, die fest ist und unverändert bleibt. Die Treue Gottes zu seinem Bund, zu seinem Versprechen, den er damals mit dem Volk Israel gemacht  und durch Jesus Christus erneuert hat.
Wir sind in diesen Bund hineingenommen worden, als wir getauft wurden. Damals, am Anfang unseres Lebens, da haben unsere Eltern es für gut gehalten, dass wir für alle sichtbar und erinnerbar in diesen Bund Gottes mit uns Menschen mit hineingenommen wurden. – Und später haben wir es in der Konfirmation – und die Älteres es danach sicher auch bei der Goldkonfirmation – noch einmal bestätigt: Ich bekenne: Ja, ich will zu Gott gehören. Auf ihn vertraue ich.

Das ist es, was in unserem Leben fest bleibt. Die Treue Gottes zu uns.
Und für uns ist es gut, uns immer wieder daran zu erinnern. In Gedanken, aber auch in Gottesdiensten und gemeinsamen Feiern.

Weil Gott bei uns ist, traut er uns auch etwas zu. Er sagt: Mit mir könnt ihr unglaubliche Dinge tun. Ich gebe euch Kraft und Mut dazu. In der Bergpredigt sagt Jesus: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. (Matthäus 5,13 ff)

Gott traut uns zu, etwa besonderes zu sein und zu können: Nämlich dem Leben Würze und Helligkeit zu geben. Dem eigenen und auch dem von anderen.

Das ist doch was! Ich soll das können?  Ja, ich. Jeder von uns.

Wir wissen oft gar nicht, welche Kraft in uns steckt. Wir wissen es nicht, weil wir es so selten ausprobieren.
Ich meine dabei nicht körperliche, sondern seelische Kraft. Kraft fürs Leben und für die Zukunft. Kraft, die uns Bärenkräfte verleiht oder völlig neue Perspektiven im Leben eröffnet.
Kraft, die wir haben, weil Gott sie uns schenkt.

Und besonders in den Zeiten, wo wir uns kraftlos fühlen, wo wir uns wenig zutrauen, da ist es gut, sich dieser Kraft in uns zu erinnern, die Gott uns geschenkt hat und immer wieder schenken will. Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Solche Bilder, wie Jesus sie beschreibt und erzählt, geben Kraft. Geben Hoffnung für die Zukunft. Für eine Zukunft, die friedlich sein wird. In der Menschen einander die Hand geben und gemeinsam nach vorne schauen.
Solcher Zuspruch gegen alle Leiderfahrungen der Gegenwart sind wichtig, sind nötig, zeigen immer wieder ihre Wirkung:
Damals und auch heute noch.

Dieser Zuspruch und seine Kraft speist sich aus dem Vertrauen auf die Zusage Gottes, dass er bei uns ist und sein will. Dass er Frieden und Versöhnung will. Und dass er in unserer Welt gegenwärtig ist und handelt.

Was bleibt, was gibt Kraft? – Nicht unsere eigenen Kräfte, wohl aber das Vertrauen darauf, dass Gott seine Versprechen hält. Gebe Gott uns, dass wir seine Kraft auch in unserem Leben erfahren und freudige Gottesgeschichten  erzählen können. Dann sind wir Salz der Erde und Licht der Welt.

 

Montag, 3. August 2020
Hans-Jürgen Drechsler

 

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen:
„Woher kommt mir Hilfe?“

An dieses Bibelwort aus Psalm 121 musste ich denken, als ich jetzt im Urlaub zwischen hohen Bergen unterwegs war. Die hohen Berge flößen Respekt ein. 2000 – 3000 Meter waren sie dort in Kärnten hoch. Ein paar haben wir erwandert, allerdings nicht von unten bis oben. Für einen Teil der Strecke wurde auch die Bergbahn genutzt. Aber es ist immer eine besondere Atmosphäre dort in den Bergen. Und so kann ich mir vorstellen, dass der Beter dieses Psalms auch ehrfurchtsvoll auf die Berge schaute. Aber die Majestät der Berge erinnert ihn dann an den, der wirklich höher als alles Menschliche ist, höher als alle menschliche Vernunft, nämlich Gott. Gott ist bildlich gesprochen größer als alle Berge zusammen. Und darum erwartet er auch von Gott die Hilfe, die er braucht. Denn im nächsten Vers heißt es:
„Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“
Dieser Gott hilft ihm und beschützt ihn.  Das weiß es ganz gewiss.
Und Gott war nicht nur damals vor 3000 Jahren, als der Beter des Psalms diese Worte sprach, der Helfer und Beschützer. Er ist es auch heute.
Auch wir stehen unter Gottes Schutz und Segen, nicht nur, wenn wir große Berge um uns haben, sondern überall.
Auch wir können Gottes Hilfe in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen erfahren.
Und darum können wir wie der Beter damals dankbar sein für Gottes Hilfe.
Überlegen Sie doch mal, in welchen Lebenssituationen Sie Gottes Hilfe und Schutz schon erfahren haben. Sicher fällt Ihnen dazu einiges ein.  
Und ich wünsche Ihnen und uns allen, dass Gott uns behütet – in diesem Sommer und unser ganzes Leben. AMEN

 

 

Sonntag, 26. Juli 2020
Angela Dicke

„Ich sehe was, was du nicht siehst...“

Es ist etliche Jahre her. Bei einem Kirchentag waren Bilder zu sehen – etwa 30 Portraits von Männern. Jüngere und ältere, dunkelhaarig, grau und blond, mit und ohne Brille, Vollbart, Schnäuzer.
Großformatig sahen die Männer die Besucherinnen von der Wand an. Keine weiteren Erläuterungen dazu. Aber die Aufforderung:
Suchen Sie denjenigen heraus, von dem Sie vermuten, dass er ein Terrorist ist oder werden könnte und markieren Sie einen oder mehrere Personen mit den beigelegten Klebepunkten.
Und so klebten die BesucherInnen viele Punkte, denn die Aktion zog viel Aufmerksamkeit auf sich.
Es gab ein deutliches Ergebnis:
Am Ende des Tages fanden sich die weitaus meisten Markierungen bei wenigen Männern. Und die hatten kurzgeschnittene schwarze Haare, einen Vollbart, keine Brille, trugen kein Hemd, sondern ein T-Shirt.
Was die BesucherInnen erst danach erfuhren:
Bei allen Portraits handelte es sich um Pfarrer der Stadt.

Peinlich berührt, beschämt, auch verärgert – so die Reaktion der Teilnehmer.
Fühlten sich in die Irre geführt und hatten sich doch selbst verlaufen.
Hatten geglaubt, man könne so ohne weiteres vom Äußeren eines Menschen auf seinen Charakter, seine Eigenschaften, seine Absichten schließen.
Man könne jemandem von der Stirn ablesen, welche Bildung er hätte, welche Ziele ihm wichtig seien, was von ihm zu erwarten sei.

Natürlich haben wir alle ein Raster im Kopf – geprägt von unserer Erziehung und den Erfahrungen, die wir machen. Dieses Erkennungsmuster ist aber trügerisch und nicht allzu verlässlich.
Das weiß man schon im AT – im ersten Buch Samuel wird von der dringenden Suche der Israeliten nach einem gerechten König erzählt. Also nach einem, von dem das Wohl und Wehe vieler abhing, der gleichermaßen durchsetzungsstark wie klug sein musste, kräftig, erfahren, gewandt, sympathisch.
Mit leisem Schmunzeln lesen wir, dass der Prophet Samuel sich auf Gottes Geheiß in ein Bauerndorf aufmacht. Dort soll er die Söhne Isias mustern, seinen Klebepunkt sozusagen bei dem machen, den er für geeignet hält. Und dann ziehen alle Söhne an ihm vorbei, wie bei einer Castingshow.
Und Samuel entscheidet sich schon fast für einen, großgewachsen, erfahren, wirkungsvoller Auftritt –
Da fällt ihm Gott ins Wort: den nicht!

Denn du, Mensch, siehst, was vor Augen ist, ich aber sehe das Herz an.

Ich sehe hinter die Fassade, der schnelle Rasterblick kann in die Irre führen, das Wesentliche ist nicht auf den ersten Blick erkennbar.
Und wenn wir wirklich lebensklug sind, dann wissen wir:
ein rascher Blick und ein schnelles Urteil beschädigen nicht nur unser Gegenüber, sondern auch uns selbst. Wir ordnen ein und mustern aus und wir tun es um so kräftiger und schneller, je mehr wir fürchten, selbst an die Seite gestellt zu werden.
Am Ende solcher Blicke steht die Vereinsamung:
Wer glaubt, alles schon vom anderen zu wissen, wenn er ihn nur flüchtig wahrnimmt, bleibt allein und er begibt sich damit um Erlebnisse, die ein ganz neues Licht auf das eigene Dasein werfen könnten.

Hildegard von Bingen sagt es so:

„Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und im Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht.
Solange er nicht zulässt,
dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben,
gibt es keine Geborgenheit.
Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden,
kann er weder sich noch andere erkennen – er wird allein sein.
Alles ist mit allem verbunden.“

Eine gute Zeit!
Angela Dicke

 

Montag, 13. Juli 2020

Angela Dicke


Welchen Hut haben Sie auf?

Wenn wir die Kinder begrüßen, die neu zu uns in den Kindergarten Barop kommen, dann können sie mit Händen greifen, dass sie dazugehören:
sie bekommen alle ein kleines Käppi mit dem Logo des Kindergartens drauf.
Das schützt beim Spielen draußen vor der Sonne oder vor einem kleine Regenschauer und bändigt die Haare im Wind.

Und mehr noch:
es macht die Kleinen untereinander erkennbar als die, die dazu gehören, die zusammengehören, die das Leben im Kindergarten ausmachen.

Den Kindern ist das Käppi wichtig:
es wird nachmittags sorgsam ins Fach zurückgelegt, um am nächsten Morgen wieder hervorgeholt zu werden.
Hinten, am Verschlussband steht ihr Name drauf, damit es keine Verwechslungen gibt,
zugleich ein Zeichen:
jedes einzelne Kind ist wichtig, wird beim Namen genannt und ist Teil der großen bunten Gemeinschaft.
Das nehmen schon die ganz Kleinen unbewusst auf und das verstehen sie, je älter sie werden, umso besser.

So ist das mit den Kleinen.
Und wir, erwachsen Gewordene?
Wie drücken wir denn aus, dass wir dazugehören zur Gemeinde, zur Kirche vor Ort?
Woran sind wir denn erkennbar für andere?
Was wissen die, die nicht zum inneren Kern gehören, eigentlich von uns, wie stellen wir uns dar?

So einfache Symbole wie ein Käppi sind da nicht mehr so passend
und ganz so einfach, wie sich den Schal eines Fußballvereins umzuhängen, ist es nicht.

Unser Glaube ist schon etwas vielschichtiger als ein Fußballspiel und unsere Erfahrungen sind nicht mehr die eines Kindes.
Unser Glaube und unser Verständnis davon, wie er sich in der Kirche, in der Gemeinde abbilden soll, haben sich gewandelt und sind nicht so einfach zu umreißen:

Neue Fragen sind aufgetaucht, Zweifel auch,
Vertrauen bildet sich hier und da, ein Gefühl von Geborgenheit,
wenig offene Ablehnung, dafür zunehmende Gleichgültigkeit, stilles Auswandern.

Dabei ist jeder von uns mehr denn je gefragt, wie er es denn hält mit der Religion. Welchen Hut hast du denn auf?
Was denkst du denn, was hält dich, wie siehst du denn das.

Gut, wenn wir so gefragt werden, das übt das Denken.
Über die Dinge des Lebens, darüber,
woher wir kommen und wohin wir gehen
und was hier unsere Aufgabe und unsere Lust sein könnte.
Unser Glauben ist nicht ja nicht etwas, das neben dem Alltäglichen auch noch irgendwie da ist,
sondern er ist eine Überzeugung, die sich an dem als tauglich erweist,
was unser Leben ausmacht.
Eine Überzeugung, aus der eine Haltung erwächst.
„Die Gottes Geist treibt, die sind Gottes Kinder“, sagt Pls. (Röm 8,14)

Und was treibt uns?
Die Bibel lehrt uns:
Die Achtung vor der Schöpfung und die Liebe zu den Menschen,
das Wissen um den, der so unendlich größer und weiter ist als wir es begreifen können, der uns nicht braucht und der uns dennoch bei sich haben will,
aus dessen Hand wir kommen und zu dem wir zurückkehren werden.

Große Worte, tiefe Gedanken, an die wir im Gottesdienst erinnert werden und die sich im Alltag bewähren sollen.
Nicht Meinung, sondern Haltung ist gefragt.

Gelegenheiten gibt es täglich zuhauf.

Wenn bei einem Gemeindebesuch plötzlich fremdenfeindliche Töne aufkommen,
wenn dem Mann im Haus über uns wieder die Hand gegen sein Kind ausrutscht,
wenn der Nachbar in seinem Garten großzügig Unkrautvernichtungsmittel versprüht,
wenn sich jemand groß machen will, indem er andere herabwürdigt,
dann ist unser Wort gefragt.

Unser Eintreten, unsere Nachfrage, unser Einspruch,
unseren Einsatz, durch den wir etwas vom Geist Gottes in das Leben hineintragen.
Mutig, unerschrocken, nicht bevormundend, aber deutlich.
Darin sind wir nicht zu ersetzen, das können wir nicht auf andere delegieren, da sind wir gefragt.

Dabei teil der Gemeinde zu sein, bedeutet das Erleben, wir sind nicht allein, wir sind nicht bloß deprimierter Restbestand,
wir stehen nicht nur mit dem Rücken zur Wand.
Das kann neue Kräfte freisetzen und Phantasie und Lust machen.
 Und dann sind wir mitgemeint mit dem Wunsch des Pls:
„Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben,
dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch den Heiligen Geist.“

Eine gute Zeit!
Ihre Pfarrerin Angela Dicke

 

Sonntag, 5. Juli 2020
Ralf Wieschhoff

 


„Prae – dicare“ heißt „vorsagen“. Wie gut war das in der Schulzeit, wenn man jemanden neben sich sitzen hatte, der bei den Fragen der Lehrer die richtigen Antworten zuflüstern, also vorsagen konnte. Damit konnte man eigene Wissenslücken verstecken, vielleicht eine bessere Note bekommen. - Vorausgesetzt, auf den „Vorsager“ war Verlass. Vertrauen musste man ihm, bzw. ihr.
Am heutigen Sonntag, dem 5. Juli 2020 haben wir in unserer Gemeinde eine neue „Vorsagerin“, eine „Prädikantin“ bekommen. Sybille Sonnabend ist in der Lutherkirche in Barop durch die Synodalassessorin Leonie Grüning in dieses Amt eingeführt worden. Nun darf sie in unserer Gemeinde Gottesdienste halten, uns das Wort Gottes vorsagen, vortragen und auslegen.
Im 1. Korintherbrief Kapitel 12 steht: „Es sind mancherlei Gaben, aber es ist ein Geist. Und es sind mancherlei Ämter, aber es ist ein Herr. Und es sind mancherlei Kräfte, aber es ist ein Gott, der da wirket alles in allem.“ (Verse 4 – 6)
Wie schön, dass wir auch in unserer Gemeinde so viele Menschen haben, die ihre Gaben zum Lob Gottes und zum Wohl der Gemeinde einbringen. „Dienet einander , ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ (1. Petrusbrief 4, 10) Dieser Vers hängt im Baroper Gemeindehaus und ist der Leitsatz der Frauenhilfen.
Die Bibel kennt die verschiedenen Begabungen der Menschen und erzählt Geschichten darüber, wie wohltuend  es ist, wenn Menschen mit ihren vielen Gaben und Begabungen zusammenwirken.
Prae-dicare – das ist nicht nur vorsagen, das ist nicht nur predigen, das ist auch: vormachen.  Andere ermuntern, die Spuren Gottes in dieser Welt zu suchen; anderen von eigenen Entdeckungen der Schönheit und des Reichtums der Gottesgaben zu erzählen. Prae-dicare, das ist die Einladung, das Gesprochene nachzusprechen, dem Erlebten nachzuspüren, einer Spur zu folgen.
Von Gott erzählen. Das erwarten wir vom Prediger und der Prädikantin. - Wenn sie die Vor-sprecher sind, dann können wir die Nach-sprecher sein. Von Gott erzählen kann eine jede, ein jeder von uns mit der je eigenen Gabe.
Ralf Wieschhoff

 

Sonntag, 28. Juni 2020
Britta Hülsewig

Geh aus mein Herz und suche Freud

Was gibt uns Grund zur Freude? Worüber freuen wir uns?
Über einen Gruß von Freunden und Bekannten, über die Sonnenstrahlen am Morgen, über einen Besuch von Menschen, die wir gern haben, über ein gutes Essen, einen schönen Abend, über einen Sommerspaziergang, vorbei an schönen Gärten?
Worüber kann ich mich freuen?
Für Paul Gerhardt ist es schon eine Freude, dass die Sommerzeit beginnt. Blühende Wiesen, schattige Wälder, zwitschernde Vögel, kühle Gebirgsbäche, gelbe Weizenfelder, fleißige Bienen. Strophe für Strophe malt Paul Gerhardt Bilder der Freude vor unsere Augen.
Aber was ist eigentlich Freude? Ich habe eine Definition gefunden: Freude ist ein Gefühl, das sich urplötzlich im Menschen ausbreitet und eine heitere, beglückende Stimmung hervorruft. Wenn wir uns freuen, geht es uns gut, dann lacht das Herz. Freude ist eine Stimmung. Eine Stimmung jedoch, die auch zerstört werden kann.
Dann mischt sich in die freudig Leichtigkeit, bedrückende Enge und Furcht. Die Freude weicht der Angst und Traurigkeit.
Dass das Leben nicht nur Freude ist, hat auch Paul Gerhardt oft erfahren müssen. 1653, als er dieses Lied schreibt, ist der 30jährige Krieg noch nicht lange vorbei. Seine Heimat liegt in Schutt und Asche, die Pest breitet sich aus. Nicht nur die Problemen der Nachkriegszeit beschäftigen ihn, sondern er sorgt sich auch um seine schwermütige Frau. Zum wiederholten Mal müssen sie um den frühen Tod eines ihrer Kinder trauern. Leid und Tod waren immer gegenwärtig und Teil des alltäglichen Lebens.
Für mich macht das die Tiefe dieses jubelnden Sommerliedes aus. Auch damals war nicht alles eitel Sonnenschein. Die Zeiten waren keineswegs die „guten alten Zeiten“. In seiner eigenen kleine Welt und in der großen Welt um ihn herum hatte der Paul Gerhardt viel mit unsäglichem Leid und Schmerz zu tun. Und trotzdem dichtet er über die die Schönheit der Natur und seine Freude daran. Er flüchtet sich aber nicht einfach in die Natur, in die frische Sommerluft, die den Gestank von Pest und qualmenden Schuttbergen vergessen lassen. Er nimmt Zuflucht  zu Gottes Güte.
„Ich selber kann und mag nicht ruhn, des großen Gottes großes Tun, erweckt mir alle Sinnen; ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.“ So lautet die 8. Strophe.
Freude kommt nicht einfach auf, weil es uns gut geht. Freude müssen wir suchen und entdecken, wie Paul Gerhardt dichtet: Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben. Schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben (Strophe 1). Es sind Gottes Geschenke, die wir entdecken können, wenn wir genau hinschauen.
Wie auch immer wir den Sommer lieben, eins ist sicher: der Sommer ist die Zeit der Überfülle. Der Reichtum der Gaben Gottes in der Schöpfung ist mit jeder Faser zu spüren und zu sehen. Die Bäume stehen voller Laub, die Blumen blühen üppig und schon am ganz frühen Morgen hört man die Vögel singen und die Sonne hat unendliche Energie und lässt die Tage lange hell sein. Der üppige Sommer kann uns sprachlos machen oder ein Lied in uns zum Klingen bringen. Paul Gerhardt hat sich für das Lied entschieden und hat eines der schönsten und längsten Sommerlieder gedichtet, das in unserem Gesangbuch zu finden ist. Vielleicht schauen Sie mal nach im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer eg 503?

 

Sonntag, 21. Juni 2020

Hans-Jürgen Drechsler

 

„Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“

(Evangelium nach Matthäus, Kapitel 11, Vers 28)

Mühselig und beladen oder wie es in einer anderen Übersetzung heißt:
…, die ihr euch abmüht und belastet seid …“

Ja, belastet und beladen sind viele Menschen, nicht nur in dieser Zeit, aber eben auch in dieser Zeit.

Die Jugendlichen mussten unter schwierigen Bedingungen ihre Schulabschlüsse machen. Teilweise war gar nicht klar, ob es z.B. die Abiturklausuren überhaupt geben wird. Und dann hieß es: Doch, ihr müsst die Prüfungen ganz normal machen. Aber eben: Es waren ja keine normalen Rahmenbedingungen – auch nicht für die Schülerinnen und Schüler in den zehnten Klassen.

Und die jüngeren Kinder konnten lange nicht in den Kindergarten oder in die Grundschulen bzw. nur teilweise oder in Ausnahmefällen. Das hat sich jetzt geändert, aber diese Zeit wirkt noch nach. Die Eltern mussten zu Hause einiges leisten, um Homeoffice und Schulaufgaben zu regeln. Und wer alleine für die Erziehung zuständig war, hatte es noch schwerer, das alles zu bewältigen.

Nun könnte man noch mehr Menschen aufzählen, die besonders belastet waren, von den Lehrerinnen und Lehrern, den Pflegerinnen und Pflegern, den Ärztinnen und Ärzten, dem medizinischen Personal überhaupt, und den Menschen, die wie die Senioren in den Altenheimen, aber oft auch zu Hause keine oder fast keine Kontakte hatten und haben.

Und persönliche Belastungen durch Krankheit oder Schicksalsschläge oder durch Enttäuschungen, die man erlebt, kommen auch in diesen Zeiten vor. Das lastet auf Menschen.

Mühselig und beladen, belastet – das waren und sind viele, gerade auch wenn es um die finanzielle Existenz geht. Ja, aber was hilft da dieses Bibelwort Jesu?

Jesus sieht die Not der Menschen damals und heute. Und er bietet einen Raum an, in den sie kommen können: Kommet her zu mir! In seiner Nähe bekommen wir eine neue Kraft für unsern Weg und auch eine neue Perspektive für unser Leben. Wir sehen dann nicht nur auf das, was uns belastet, sondern auch darauf, dass er uns zur Seite steht. Wir dürfen zugeben, dass wir belastet sind und nicht mehr können. Wir müssen nicht immer stark sein. Aber in der Beziehung zu Jesus Christus bekommen wir neue Kraft. Nicht in dem Automatismus, dass dann alles einfach wird und wir nicht mehr belastet sind, aber doch so, dass wir seine Kraft in uns spüren können, damit wir unsere Herausforderungen angehen können.

So möchte ich Sie und Euch ermutigen, dass Sie zu Jesus kommen. Bei ihm sind wir gut aufgehoben, nicht nur in dieser Zeit, aber eben auch in dieser Zeit. AMEN

 

 

Montag, 15. Juni 2020

Angela Dicke


„Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich mein Vater sendet, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!“
Joh 20,19-22

Wir leben vom Atmen, von Luft und Liebe.
Ob wir es wahrnehmen oder nicht – wir leben, weil wir einatmen und ausatmen.
Wir leben von In-spiration und Ex-spiration. Unsere Lungen nehmen den Sauerstoff auf und führen dem Blut damit Energie zu. Wir nehmen das gar nicht wahr.
Erst, wenn die Luft knapp wird, spüren wir es:
wenn wir einen Berg besteigen, uns beim Sport verausgaben, wenn wir Angst bekommen, wenn wir eine lange Phrase singen, wenn wir ein Blasinstrument spielen.

Unsere Mütter und Väter waren die ersten Ohrenzeugen, als wir mit Geschrei unseren ersten Atemzug getan haben, selbstständig und damit unseren Platz in der Welt eingenommen haben.

Im Johannesevangelium lesen wir, wie den Jüngern am ersten Tag der Kirchengeschichte die Luft ausging: hinter verschlossenen Türen und Fenstern saßen sie, ängstlich, mit gesenktem Kopf. Das Grab im Garten Gethsemane war schon offen, aber sie waren eingeschlossen wie in einer Gruft.
Da kommt der zu ihnen, der keinen Türöffner braucht und keine Gewalt.
Mit seiner Gegenwart nimmt er sie für sich ein:
„Empfangt den Heiligen Geist!“

Jesus macht nicht viel Wind, er haucht sie an, gewaltlose Sprache der Liebe. Er führt die Menschen in die Geburtstunde der Welt zurück, als der Schöpfer dem ersten Menschen den Atem des Lebens einblies.
Der Gott, der alles ins Leben rief, der von allem, was er geschaffen hat, sah, dass es gut war, derselbe Gott ist auch bereit, mit seiner kleingläubigen, kurzatmigen Kirche noch einmal von vorn zu beginnen.
Er hält sie in Atem.

Durch den Atem aus Jesu Mund werden die Jünger mündig.
Er füllt die Christenheit, die sich gelähmt und trostlos wähnt, mit Lebenskraft.
Nicht mit heißer Luft, hinter der nichts steckt, sondern als frischer Wind.
Als Kühlung für eine überhitzt rotierende, angestrengte Gemeinde.
Als Luftzug in der Flaute, die Lust macht, Segel zu setzen.
Als Luftraum ohne Grenzen, in dem Menschen unterschiedlicher Sprachen und Herkünfte, Kulturen und Religionen einander verstehen.
Als langer Atem der Vergebung.

Gott atmet. Das ist der Grund, aus dem wir leben und atmen können.

 

Montag, 8. Juni 2020
Ralf Wieschhoff

 

Aller guten Dinge sind drei. Drei Dinge braucht der Mensch. Drei Wünsche hat man frei.
Die „drei“ hat es gut in die Sprichworte geschafft. Kennen Sie noch mehr Sprüche, in denen die „drei“ vorkommt?  „Eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.“ weiß der Prediger in der Bibel (Prediger 4,12).
„Dreimal im Jahr sollst du mir ein Fest feiern.“ heißt es im 2. Buch Mose, Kapitel 23, Vers 14. Drei große Feste feiern wir im Kirchenjahr: Weihnachten, Ostern und Pfingsten.
Am Sonntag nach Pfingsten feiern wir das „Fest der Dreieinigkeit“, Trinitatis.
Dieser Sonntag nach dem Pfingstfest gibt den folgenden Sonntagen ihre Namen. Er ruft in Erinnerung, dass Gott sich in dreifacher Gestalt den Menschen offenbart.
Er zeigt sich als Schöpfer, der alles geschaffen hat.  Von ihm kommt Jesus als sein Sohn in diese Welt. Jesus sendet den Heiligen Geist. Es sind nicht drei verschiedene Götter, sondern es ist ein Gott, der sich uns Menschen auf dreifache Weise zeigt. „Una substantia, duae naturae, tres personae“ so haben es die Kirchenväter zu beschreiben versucht. Gott ist ein Wesen, hat zwei Naturen (die göttliche und die menschliche) und zeigt sich in drei Personen.
Diese Lehre unterscheidet das Christentum von allen anderen Religionen. In jedem Gottesdienst bekennen wir diese Dreieinigkeit, wenn wir sagen: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Es bleibt schwer zu verstehen, wie genau wir uns das vorstellen können. Am einfachsten ist mir die Erklärung mit dem Kleeblatt: Drei einzelne Blätter und dennoch sprechen wir von einem einzigen Kleeblatt.
Und vielleicht hilft es, nicht auf das schwer verständliche zu schauen, sondern auf die Möglichkeiten, die darin liegen: In jeder der drei Offenbarungen Gottes eröffnen sich für uns verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten: Mal suchen wir den Allmächtigen, mal die menschliche Seite Gottes und manchmal brauchen wir einfach frischen Wind und Geist für unser Leben.
Und zugleich kann uns dieses Sprechen von Gott ein Ansporn zur Einigkeit  der Kirchen sein, wie es in dem Kirchenlied „Sonne der Gerechtigkeit“ so schön ausgedrückt ist:
„Kraft, Lob, Ehr und Herrlichkeit sei dem Höchsten allezeit, der wie er ist drei in ein uns in ihm lässt eines sein. Erbarm dich, Herr.“  (EG 263,7)

 


Montag, 1. Juni 2020
Britta Hülsewig

 

„Wenn Gott segnet, umarmt er die Welt“, so hat einmal jemand gesagt. Gottes Segen – geheimnisvoll, kaum greifbar, und wenn, dann mehr mit dem Gefühl als mit dem Verstand.

Die Segensworte aus dem 4. Buch Mose sind sehr alte Worte. Sie gehören zu den ältesten geschriebenen Worten im Alten Testament. Während der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste sind sie wohl zum ersten Mal zugesprochen worden. Die Alten sagten sie ihren erwachsenen Söhnen und Töchtern. Die wieder sagten sie ihren Kindern und Enkeln weiter: Schließlich wurden die Worte aufgeschrieben, sogar auf kleine Silberplatten. Denn sie sind kostbar geworden wie Edelsteine, die man auf keinen Fall verlieren will.
Die meisten von uns kennen diese Worte, manche bestimmt auswendig. Der Klang dieser Worte ist wie ein Zauber. Wenn diese Worte erklingen, dann ist das wie eine Umarmung.
Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse leuchten sein Antlitz über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
„Wissen Sie“, sagte mir mal jemand, „eigentlich komme ich in den Gottesdienst nur wegen des Segens! Der ist mir wichtiger als manche Predigt. Der Segen strahlt den Frieden aus, den ich brauche. Da bekomme ich etwas zugesprochen, was mir Kraft gibt. Segen, das heißt für mich behütet sein."
Ich kann das verstehen. „Wenn Gott segnet, umarmt er die Welt“.
In den Arm genommen zu werden – das vermissen wir gerade sehr. Wir brauchen das Gefühl von Geborgenheit und Frieden. Wir wollen uns angenommen und bejaht fühlen. Das Angesicht Gottes spüren auf uns und dieses Leuchten mit in den Alltag nehmen. Von Gott angestrahlt sein. Wissen, dass Gott mich sieht und sich mir zuwendet. Das alles ist Segen.
Jeder Segen ist ein Versprechen. Die Menschen damals in der Wüste hatten ein solches Versprechen dringend nötig. Das Alte war vergangen, das Neue bisher nur ein Luftschloss: „Das verheißene Land, wer weiß, ob wir es je erreichen?“, das haben bestimmt viele gedacht, manche sicher sogar laut ausgesprochen. Segen ist eine Gewissheit in den Augenblicken, in denen Neues beginnt, neue Lebenszeiten begonnen werden. „Meinen Segen hast du“, sagen wir manchmal und meinen, dass wir einem Plan, einem Vorhaben zustimmen können. Und doch ist das noch mehr: „Meinen Segen hast du“, heißt ja auch, dass wir dem oder der, die da etwas vorhat, alles Gute wünschen, das Projekt mit guten Gedanken begleiten und für das Gelingen mit fiebern, mit beten. „Meinen Segen hast du“ - das gibt Kraft und Rückendeckung.
Wenn ich einen Gottesdienst besuche, dann freue ich mich immer auf den Segen. Er ist wie ein warmer Sonnenstrahl an einem viel zu kalten Tag, er ist wie ein warmer Regen an einem viel zu heißen Tag. Es ist einfach gut, unter Gottes Angesicht den Frieden zugesprochen zu bekommen. Die Worte des Segens sind nicht zu ersetzen durch andere Worte. Sie sind nicht beliebig. In diesen Worten umarmt Gott die Welt und jeden und jede von uns.
Und – segnen können und sollen wir alle. Im 1. Petrusbrief 3,9  lesen wir: „Segnet, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt!“ Wir alle können Gottes Segen weitergeben – in der Familie, an Freunde und Freundinnen, an Nachbarn, an Menschen, die in Not sind. Segen heilt und stärkt.
In diesem Sinne: Gott segne und behüte dich!

Diese Gedanken gibt es auch zum Mitnehmen, ab Samstagnachmittag hängen sie an einer Leine – sozusagen online in der realen Welt – vor der Kirche am Markt in Hombruch und dürfen dort gern mitgenommen werden!

 

Donnerstag, 28. Mai 2020
Hans-Jürgen Drechsler

 

In diesen Zeiten haben wir manches Mal auch Zeit, über unser Leben nachzudenken. Der folgende Text lädt dazu ein, und er zeigt uns, dass Gott uns nahe ist, auch wenn wir es vielleicht gar nicht merken. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in dieser Zeit, die für viele aus mancherlei Gründen sehr schwer ist, sich getragen wissen von unserem Herrn. Er hat uns zugesagt, dass er alle Tage bei uns ist bis an das Ende der Welt (Mt. 28, 20).

Fußspuren im Sand
Eines Nachts hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten,
Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben.
Und jedesmal sah ich zwei Fußspuren im Sand,
meine eigene und die meines Herrn.
Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen
war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte,
dass an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur
zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten
Zeiten meines Lebens.
Besorgt fragte ich den Herrn:
"Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du
mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten
meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am
meisten brauchte?"
Da antwortete er:
"Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie
allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten.
Dort wo du nur eine Spur gesehen hast,
da habe ich dich getragen."

Margaret Fishback Powers

 

Mittwoch, 25. Mai 2020

Angela Dicke
 

Sie haben den Korb bestiegen, die Leinen sind gelöst, es kann losgehen.
Langsam steigt der Ballon in den Himmel auf, schwebt lautlos Meter um Meter in die Höhe. Die große Hülle trägt die Menschen aus dem Schatten heraus. Noch einmal herunterwinken zu denen am Boden, dann, mit Kribbeln im Bauch, den Auftrieb spüren und sich den „seidenen Fäden“ und der Lufthülle anvertrauen, die Lust am Abheben empfinden.
Von Minute zu Minute wird die Welt, das Bekannte kleiner, Einzelheiten lösen sich auf und werden zum Muster aus Farben und Formen.
Mit der gewonnenen Höhe lösen sich die Gedanken mehr und mehr von all dem Erdenschweren und Herz und Gemüt werden frei und leicht.
Gerade in diesen Wochen spüren wir die Sehnsucht nach solcher Leichtigkeit besonders intensiv, wollen den Sorgen und Belastungen entkommen, die uns bedrücken, die Grenzen überwinden, die uns einschränken.
Der Himmel war schon immer Inbegriff von Weite und von Offenheit,
von Aufamten und Freiheit. Im Kirchenjahr spielt er jetzt, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, eine große Rolle als Ver-Ortung der Herrlichkeit Gottes.
Dort, in dem Herrschaftsbereich Gottes, soll der Mensch sich beheimatet fühlen können – der Evangelist Lukas sagt es so: „Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind!“
Damit werden die Gefahren, die das Leben mit sich bringt, nicht ausgeblendet und klein geredet – im Gegenteil, den NachfolgerInnen in Jesu Spuren wird zugetraut, es auch mit allem Feindlichen aufzunehmen.
Aber die Erfüllung, all das, was das Leben froh und erfüllt und leicht macht, wird dem Himmel zugeordnet – der Segen Gottes als Himmelsmacht. Vielleicht kommen wir dieser Zusage mit einem Blick in den offenen Himmel etwas näher – oder wir besteigen tatsächlich einmal einen Ballonkorb, wer weiß, wohin es uns trägt.

Zum Weiterdenken hier ein Gedicht von Hanns Dieter Hüsch:

Am seidenen Faden

Du machst uns unser Leben, Herrn,
Nach deinen Breitengraden
Du lässt uns ganz leicht schweben
Geichwie am seidnen Faden

Wohl über Sand und Meere
Wir sehen Prunk du Pracht
Wir sehen Lust und Leere
Die Not und auch die Nacht

Dein Blick tut uns Genüge
Du weißt was Elend ist
Wir trösten und wir fügen uns
O Herre Jesu Christ

Am Ende lebt die Liebe
Ja einzig und allein
Drum komm und sprich und übe
Mit uns das Glücklichsein

Wir brauchen dein Erbarmen
Im finstern Weltgeschehn
Bis wir in deinen Armen
Uns alle wiedersehn.

 

 

Sonntag, 24. Mai 2020

Ralf Wieschhoff

Wie lange noch? - Diese Frage stellen Kinder oft in der Adventszeit. Wie lange noch bis zum Nikolaustag? Wie lange noch bis Weihnachten?
Dieses Jahr passt diese Frage in die Woche vor Pfingsten. Wie lange gelten die Einschränkungen unseres Lebens noch? Werden wir verreisen dürfen? Wenn ja, wohin und mit wem?
Ungeduld ist zu spüren, sucht sich Raum und Stimme. Mal leise und verhalten, mal laut und wütend.
Ungeduld, das kenne ich sonst nur persönlich. Nun nehme ich eine wachsende kollektive Ungeduld wahr. Und ich habe Sorge, dass die Ungeduld in Wut umschlägt, dann kaum noch zu besänftigen ist.
Ungeduld wächst, wenn die Erfüllung von Hoffnungen auf sich warten lassen. Oder schlägt um in Enttäuschung. „Ich habe doch so gehofft, dass ...“ - und nun scheint das Erhoffte zerschlagen oder in weite Ferne gerückt. Ich muss mich also neu orientieren.
Hoffnung, Ungeduld, Enttäuschung und neue Orientierung, das gehört zum Leben dazu. Genau das haben auch die Jünger Jesu zwischen Karfreitag und Pfingsten erlebt. In dieser Zeit erleben sie zwar Begegnungen mit Jesus, doch die sind ganz anders als zuvor. Der Auferstandene ist da und zugleich entzieht er sich ihren Wünschen. 40 Tage nach Ostern haben sie ihn zuletzt gesehen. Und einen Auftrag und eine Verheißung erhalten: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein.“ (Apostelgeschichte 1, 8)
Heute sind wir in der Zeit zwischen dem Himmelfahrtstag und dem kommenden Pfingstfest. Auch wir dürfen diese Verheißung und diesen Auftrag Jesu hören und annehmen. Mit dem einen vorangestellten Wort „auch“ wird diese alte Verheißung aktuell und persönlich: „Auch ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein.“

Lesen und sprechen Sie diese Worte einmal so, als wären sie Ihnen selbst zugesprochen worden. Ich bin sicher, dass dieser Satz Mut und Hoffnung macht. Und auch zum rechten Reden und Handeln führt. Den Auftrag und die Verheißung haben wir: „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Bei aller Hoffnung, Ungeduld, Enttäuschung und Neuorientierung, die immer wieder kommen werden, dürfen wir uns von diesen Worten leiten und ermutigen lassen.
„Zeugen Jesu sein“, darauf brauchen wir nicht zu warten, das können wir heute schon tun.

Donnerstag, 21. Mai 2020 - Christi Himmelfahrt

 

Britta Hülsewig

 

Aufgefahren in den Himmel  … 

Am Himmelfahrtstag haben wir in den vergangenen Jahren immer Gottesdienst unter freiem Himmel gefeiert – sicher nicht nur, weil dann der Frühling gerade in voller Blüte steht. Sondern auch deshalb, um dem Himmel etwas näher zu sein. Um buchstäblich zu sehen, wovon wir reden.

Auch Jesus führt seine Jünger und Jüngerinnen hinaus, nach Betanien, dort wo sie allein miteinander waren. Ohne Publikum. Draußen unter freiem Himmel.
Himmelfahrt geschieht unter freiem Himmel. Weil wir Menschen den Himmel als Ort Gottes beschreiben. Diese Vorstellung - Gott im Himmel zu glauben - sitzt tief in uns.
Das heißt: Gott ist uns Gegenüber. Gott geht nicht einfach in uns auf, ist nicht (nur) in uns, sondern trifft uns auch von außen. Gottes Raum ist nicht identisch mit unserem. Himmel ist dafür eine mögliche Bezeichnung.

Wenn ich Schülerinnen und Schüler in der Grundschule frage, was sie sich eigentlich vorstellen unter dem Begriff Himmelfahrt, dann sind die kleinen Jungs ganz schnell bei Vorstellungen von einem Raketenstart Jesu in den Himmel. Der Himmel ist uns heute (fast) entschlüsselt. Die unendlichen Weiten mittlerweile erforscht. Zumindest mit Weltraumteleskopen und Raumsonden. Wir tun uns deshalb schwer damit, wie wir Christi Himmelfahrt eigentlich denken können – und selbst die biblischen Zeugnisse beschreiben das Geschehen nur sehr ungefähr. Das Markusevangelium verzichtet gleich ganz auf eine solche Geschichte, ebenso Johannes und auch Matthäus, der sein Evangelium beendet mit dem Auftrag Jesu, seine Geschichte in aller Welt zu erzählen. Nur Lukas schreibt von der Himmelfahrt Jesu, aber auch erzählt nicht wirklich ausführlich von dem Wie des Geschehens.

Vielleicht kann uns das auf eine Spur setzten. Wenn die Bibel von der Himmelfahrt Jesu Christi erzählt, geht es wohl nicht um eine möglichst spektakuläre Szenerie, um Fahrten auf feurigen Wagen, himmlischen Wolken oder mit einer Weltraumrakete, sondern vielmehr um den Abschied Jesu von den Seinen. Die Evangelien wollen davon erzählen, dass Jesus nicht mehr auf der Erde lebt wie alle Menschen, sondern dass er sich von seinen Jüngerinnen und Jüngern verabschiedet und zu Gott in den Himmel zurückkehrt.

Jesus führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie.
Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott. (Lukas 24,50-53)

Abschied und Segen – darum geht es Lukas in seiner Erzählung von der Himmelfahrt. Jesus verlässt die Seinen, lässt sie aber nicht allein zurück. Mit dem Abschied ist sein Segen verbunden. Im Segen bleibt Jesus selbst bei seinen Freunden und Freundinnen. Abschied auf der einen Seite, aber gleichzeitig Verbundenheit, weil Segen Gegenwart Gottes bedeutet. Mit dem Segen gibt Jesus den Himmel weiter. Im Segen verbinden sich Himmel und Erde, das ist das Versprechen Jesu am Ende seines Weges mit seinen Freunden und Freundinnen: Ihr seid nicht allein! Mein Segen ist mit euch!
Vielleicht ist dieser Segen eines der großartigsten Versprechen unseres Glaubens: Gottes Segen zeigt uns, dass wir geschenkt bekommen, woraus wir leben können. Der Segen Gottes gibt die Kraft weiterzuleben. Gibt uns Kraft weiterzugehen. Im Segen berühren sich Himmel und Erde.

Mach unsere Herzen und Sinne weit, lebendiger Gott,
dass wir uns dem Himmel zuwenden
mit unseren Gedanken und unserem Geist
und lass uns trotzdem den Boden unter den Füßen nicht verlieren.
Wir bitten dich:
Gib uns den Mut, in den Himmel zu schauen.
Schenke uns Visionen und Träume,
Leichtigkeit und Freiheit.
Und gib uns sicheren Halt, um auf der Erde zu stehen.
Schenke uns Sicherheit und Geborgenheit,
Kraft und Ausdauer.

 

Donnerstag, 14. Mai 2020

 

Ralf Wieschhoff

 

 

In diesem Monat hat es, darunter auch in Dortmund, mehrere Angriffe auf Journalisten gegeben. Meist geschah das im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die geltenden Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens. Neben denen, die für den Erhalt der Grundrechte eintreten, sehen manche der Demonstrierenden in diesen Einschränkungen den Aufbau einer geheimen „Weltherrschaft“. Andere nutzen diese Demonstrationen, um ihre Ablehnung unserer Verfassung und des gesamten Staates zu zeigen.
Wer regiert und wie regiert wird, regt die Gemüter.
Nächsten Donnerstag feiern wir „Christi Himmelfahrt“. Im Glaubensbekenntnis sprechen wir dazu:
„… aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters …“ Jesus hat den Platz neben Gott eingenommen.
Und das ist gut so. Er regiert und lenkt die Welt.
Wie gut, dass Jesus dort sitzt – und nicht ein anderer! Einmal wünschten sich Johannes und Jakobus, dort sitzen zu dürfen (Markus 10,35 – 45). Das sorgte für Ärger bei den anderen Jüngern – und auch bei Jesus. Dieses menschliche Streben nach Macht und Anerkennung drängt uns nach oben, auf die guten Plätze. – Und wenn wir uns nicht dorthin setzen, dann tun es andere. So wollten Jakobus und Johannes den anderen voraus sein; so streben auch heute viele nach oben.
Wie gut, dass der Platz an der Seite des gütigen Gottes schon besetzt ist: Von Jesus.
Am 8. Mai haben wir des Kriegsendes in Europa gedacht. Endlich Frieden nach soviel Leid und Zerstörung! – Das kommt heraus, wenn Menschen sich anmaßen, sich selbst an die Seite oder gar an die Stelle Gottes setzen zu wollen. Wenn sie bestimmen wollen, welches Leben lebenswert und welches zu vernichten sei. Wenn der Mensch sich allmächtig fühlt ist die Versuchung groß, diese Macht zu missbrauchen. Kriege in der ganzen Welt zeugen davon.
Dann gibt es Tote –  und Reiche des Todes.
Noch einmal zum Glaubensbekenntnis: „Hinabgestiegen in das Reich des Todes. Am dritten Tage auferstanden von den Toten. Aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.“
Keinen Bereich gibt es, wo Gott nicht gewesen ist und ist. Die Lebenden segnet er, die Toten besucht er, den Himmel regiert er.
So kann ich nur dankbar sagen: Wie gut, dass wir, wenn wir unser Glaubensbekenntnis ernst nehmen, deutlich sagen können: Dort oben, ganz oben, direkt neben Gott, sitzt einer, der gelitten hat. Der nicht Macht, sondern Frieden und Versöhnung will. – Den bekennen wir als unseren Herrn.
So hat es schon die Bekenntnissynode 1934 in Barmen formuliert (These II): „Es gibt keine Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.“

 

Dienstag, 13. Mai 2020

Britta Hülsewig

Homepage – geistliches Wort zum 13. Mai

Lasst uns die Welt ins Gebet nehmen!
Rogate – Betet! Laut oder leise, gemeinsam oder mit anderen, frei oder mit geprägten Worten: Betet! So heißt der kommende Sonntag.
Wenn ich bete, dann spreche ich mit Gott. Ich spüre, dass ich eine Beziehung habe zu Gott. Eine Beziehung, die mich trägt. Manches, was ich im Gebet zur Sprache bringe, wird deshalb in ein anderes Licht gerückt. Ich bleibe nicht auf meinen Ängsten und Bedenken sitzen, ich kann sie weitergeben an Gott. Und deshalb ist Beten auch ganz normale Alltagsarbeit. Ist nicht den besonderen religiösen Genies vorbehalten. Beten ist keine Kunst, sondern ein Handwerk. Wir können es lernen, wie wir lesen und schreiben und kochen lernen können. Es gehört dazu keine besondere angeborene Frömmigkeit. Wir müssen nur aufmerksam sein für das Leben, für unser eigenes und das Leben der anderen. Wer betet, kann nicht von sich selbst absehen. Wer betet, kann aber auch nicht nur auf sich selbst sehen. Wer betet, braucht die Fähigkeit zu wünschen und die Fähigkeit, Dinge unerträglich zu finden. Man kann beten, wenn man weiß, wofür man beten soll. Beten ist ein Stück Arbeit.
Beten heißt auch, darüber zu nachzudenken, um was ich bitte. Beten und bitten, danken und denken gehören zusammen.

Ich möchte dazu eine Geschichte erzählen, eine, über die wir lachen können:
Ein Atheist – einer der die Existenz Gottes bestreitet -, macht einen Spaziergang durch die Wälder. Er bestaunt alles, was seiner Meinung nach der Zufall der Evolution geschaffen hat. „Was für majestätische Bäume! Was für herrliche Tiere“, sagt er zu sich selbst. Wie er so am Ufer eines Flusses lang läuft, hört er hinter sich ein Rascheln im Gebüsch. Er dreht sich um. Ein riesiger Grizzly-Bär kommt auf ihn zu. Der Mann rennt weg, so schnell er kann. Er sieht über die Schulter – der Bär kommt näher. Er rennt schneller. Wieder sieht er sich um – der Bär ist noch näher herangekommen. Sein Herz klopft wild und er versucht, noch schneller zu laufen, stolpert und fällt zu Boden, rappelt sich wieder auf und der Bär – schon über ihm – greift nach ihm mit der linken Pranke, die rechte erhoben, um ihn zu zerreißen. In diesem Moment ruft der Atheist aus: "O, mein Gott, hilf..."
Die Zeit bleibt stehen. Der Bär erstarrt. Der Wald ist still. Sogar der Fluss rührt sich nicht von der Stelle. Ein helles Licht erfasst den Mann und eine Stimme erschallt aus dem Himmel: „Du hast meine Existenz alle diese Jahre geleugnet, du lehrst andere, dass es mich nicht gibt und hältst sogar die Schöpfung für einen kosmischen Zufall. Erwartest du, dass ich dir jetzt aus dieser Zwangslage heraus helfe?“
Der Atheist blickt direkt in das Licht. Er könnte einfach „Ja“ sagen, tut es aber nicht. Stattdessen fragt er: „Es wäre sicher verlogen, nach all den Jahren ein Christ werden zu wollen, aber vielleicht könntest du den Bären zu einem Christen machen?“
„Ich werde deine Bitte erfüllen“, sagt die Stimme. Das Licht erlischt. Der Fluss fließt weiter. Und die Geräusche des Waldes ertönten wieder neu. Der Bär senkt seine rechte Pranke und zerreißt den Mann. Danach faltet der Bär beide Pranken zum Gebet: „Komm, Herr Jesus, sei Du unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast.“

Was will ich mit dieser Geschichte sagen? Zuerst einmal ist sie ein guter Witz, um ihn anderen weiterzuerzählen. Es steckt aber auch eine tiefe Wahrheit in dieser  Geschichte. Wenn wir beten, dann sollen und können wir darauf vertrauen, dass Gott unsere Bitten annimmt und ernst nimmt.  Beten heißt, meine Anliegen aus der Hand zu geben und sie Gott anzuvertrauen. Das kann auch bedeuten, mich von einem Wunsch zu lösen und zu verabschieden. Das Gebet zu Gott verändert Menschen. Beten geht unter die Haut – darum ist es gut, wenn wir uns daran erinnern, dass wir beim Beten unsere Anliegen prüfen sollen. In diesem Sinne:Lasst uns die Welt ins Gebet nehmen

Samstag, 9. Mai 2020
Angela Dicke

Singen macht stark!

Waren die Italiener die Ersten, die den durch das Corona bedingten Einschränkungen mit Musik begegneten? –
Ich erinnere mich noch gut an die eindrucksvollen Bilder, die Menschen, jung und alt, auf ihren Balkonen stehend, zeigten, die dem Virus mit fast trotzig geschmetterten Gesängen begegneten; da entstand ein Miteinander in der Vereinzelung, ein Wir-Gefühl, ein zuversichtlicher und hartnäckiger und lebendiger Protest für ein Leben angesichts der Bedrohung.
Diese Idee hat sich rasch weiter verbreitet; so hat u.a. Margot Kässmann zum  „Balkonsingen“ ermuntert und vielstimmig klingt es seitdem in den Abendstunden an vielen Orten.
In unserer Gemeinde hat sich ein Kreis gefunden, der an jedem Abend an der Ostenbergstraße zusammenkommt. Zum festen Repertoire gehört das Lied „Der Mond ist aufgegangen“, 1779 von Matthias Claudius als Gedicht geschrieben, einige Jahre später genial und eingängig vertont.
Viele kennen dieses Lied auswendig, und für viele Kinder ist es auch heute noch fester Bestandteil des abendlichen Einschlafrituals.

Ein Text voller Gottvertrauen, geschrieben in einer Zeit, in der Krankheiten sich ungebremst ausbreiten konnten und Hungerkatastrophen in weiten Landstrichen herrschten. Claudius nimmt diese Realitäten auf – in den idyllischen Beginn des Liedes zeichnet er mit sparsamen, aber erkennbaren Strichen die bedrängenden Erfahrungen ein, das macht sein Lied klug und tief. „Des Tages Jammer, wir wissen gar nicht viel, Vergängliches, kalt ist der Abendhauch“ – dass das Leben zerbrechlich ist und vieles unserem Wollen und Können entzogen bleibt, das sind seine Erfahrungen, die uns in diesen Tagen wieder näher gerückt sind.
Und doch bleibt es in Gottes Namen geborgen, so dass wir hier  „in stillen Kammern schlafen dürfen“ und dort einmal „in den Himmel kommen“.

Auch wenn wir zur Zeit noch nicht in den Gottesdiensten singen dürfen –
lesen Sie sich doch in dieses Lied hinein zur Abendstunde, summen Sie es mit oder lassen es zusammen mit anderen abends in den Himmel steigen;
denn Singen macht stark!

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen,
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget
Und aus den Wiesen steiget,
Der weisse Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämm'rung Hülle,
So traulich und so hold,
Gleich einer stillen Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer,
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen,
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht seh'n.

So legt euch denn ihr Brüder
In Gottes Namen nieder.
Kalt weht der Abendhauch.
Verschon' uns Gott mit Strafen
Und lass' uns ruhig schlafen
Und unsern kranken Nachbarn auch.
Und unsern kranken Nachbarn auch.

Donnerstag, 7. Mai 2020

 

Ralf Wieschhoff

 

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9,24).
Das ist die Jahreslosung für dieses Jahr 2020. Der Vater eines von epileptischen Anfällen betroffenen Kindes hat diese Worte vor fast 2000 Jahren voller Hoffnung gerufen. Er schildert, wie gefährlich, lebensgefährlich die Anfälle für seinen Sohn sind. In Wassernähe droht er zu ertrinken, in Feuersnähe zu verbrennen. Ständig ist der Vater angespannt, um die Gesundheit und das Leben seines Kindes besorgt.
Er weiß nicht, wie lange er das noch aushalten kann. So viele Heilungsversprechen haben ihn schon enttäuscht, doch er sucht weiter nach Hilfe für seinen Sohn – und für sich. Hartnäckig ist er, lässt sich nicht abweisen. Bis zu Jesus drängelt er sich durch und erhofft sich, wie von vielen anderen zuvor, Heilung für sein Kind.
„Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ antwortet Jesus ihm. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ - Wie viel Verzweiflung klingt aus diesen Worten – und zugleich: So viel Hoffnung!
Wie es weitergeht, können Sie im Markusevangelium, Kapitel 9, Verse 14 – 29 selber lesen.
„Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Niemals hätte ich im Januar geglaubt, also für möglich gehalten,  dass Deutschland und die halbe Welt über Wochen das öffentliche und private Leben so radikal einschränkt, wie wir es seit sieben Wochen erleben. Hätte jemand im Januar die heutige Wirklichkeit vorhergesagt, wäre er als Phantast und Spinner bezeichnet worden. Unglaublich erschien das, was seit sieben Wochen real ist.
Mich lässt das nachdenklich werden. Wie vieles wehren wir ab, weil wir es uns nicht vorstellen können. Weil es undenkbar erscheint. - Und dann kommt es doch, das bisher Undenkbare.
Das lässt mich Jesu Worte neu bedenken. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“, sagt er. „Alle?“ frage ich mich. Und reibe mich an einem anderen Satz Jesu: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.“ (Matthäus 17, 20).
Was bisher unmöglich schien, ist seit Wochen Realität. - Das regt mich an, solche biblischen Worte noch einmal neu zu bedenken. Sind das doch Worte, die unserem Denken und Leben ganz neue Horizonte eröffnen.
Denken wir von Gottes – und von unseren – Möglichkeiten nicht zu klein.
Und weil wir fast Vollmond haben, schließe ich mit einem Vers von Matthias Claudius:
„Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn.“ (EG 482,3)

 

Dienstag, 5. Mai 2020
Britta Hülsewig

 

Warum der Schäfer jedes Wetter liebt

Ein Wanderer: „Wie wird das Wetter heute?“
Der Schäfer: „So, wie ich es gern habe.“
„Woher wisst Ihr, dass das Wetter so sein wird, wie Ihr es liebt?“
„Ich habe die Erfahrung gemacht, mein Freund,
dass ich nicht immer das bekommen kann, was ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich bekomme.
Deshalb bin ich ganz sicher:
Das Wetter wird heute so sein, wie ich es mag.“
                Anthony de Mello

Der Rat des Propheten

Die Gläubigen kamen in Scharen, um die Worte des Propheten zu hören. Ein Mann hörte besonders aufmerksam und andächtig zu, betete mit gläubiger Inbrunst und verabschiedete sich schließlich vom Propheten, als es Abend wurde. Kaum war er draußen, kam er wieder zurückgerannt und schrie mit sich überschlagender Stimme: „O Herr! Heute Morgen ritt ich auf meinem Kamel zu dir, um dich, den Propheten Gottes zu hören: Jetzt ist das Kamel nicht mehr da. Weit und breit ist kein Kamel zu sehen. Ich war dir gehorsam, achtete auf jedes Wort deiner Rede und vertraute auf Gottes Allmacht. Jetzt, o Herr, ist mein Kamel fort. Ist das die göttliche Gerechtigkeit? Ist das die Belohnung meines Glaubens? Ist das der Dank für meine Gebete?“ Der Prophet hörte sich die verzweifelten Worte an und antwortete mit einem gütigen Lächeln: „Glaube an Gott und binde dein Kamel fest.“
(aus: Nossrat Peseschkian, Es ist leicht das Leben schwer zu nehmen. Aber schwer es leicht zu nehmen, Herder-Verlag, S. 134)

Ich mag gern kurze Geschichten, in denen viel Humor und Weisheit steckt. So geht es mir auch mit diesen beiden kleinen Geschichten. Anthony de Mello beschreibt den Langmut, den wir für unser Leben brauchen, um es gut bestehen zu können. So, wie der Schäfer – er hadert nicht mit dem Wetter, sondern nimmt es so, wie es kommt. Zum Leben gehört eine gehörige Portion Mut und gleichzeitig auch Gelassenheit, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind und sich ihnen zu stellen. Manches können wir einfach nicht ändern, das ist so. Und das erleben wir gerade jetzt sehr deutlich. Und dann gehört zum Leben eben auch, es ganz handfest anzupacken, die Dinge zu tun, die dran sind, wie in der Geschichte von Nossrat Peseschkian. Nicht alles einfach geschehen lassen nach dem Motto: Gott wird es schon richten. Sondern dem Leben mit Gottvertrauen und Pragmatismus begegnen, das Mögliche tun und Gott in die Hand zu legen, was nicht in unserer Hand liegt.
Das wünsche ich uns: Humor und Weisheit, Mut und Gelassenheit, Pragmatismus und Gottvertrauen – und von allem genug, dass es zum Leben reicht.

 

Sonntag, 3. Mai 2020
Hans-Jürgen Drechsler

 

In diesen Zeiten gib es manches, das uns Angst macht, und wir denken vielleicht oft:
Wie sollen wir das schaffen?
Gerade, wenn wir in existentielle Nöte geraten oder selbst krank sind oder uns um jemanden kümmern, der krank ist, dann kann es leicht passieren, dass uns alles zu viel wird.
Das kann in diesen Zeiten so sein.
Und da finde ich die Psalmübertragung zu Psalm 27, die ich auch im Gottesdienst schon manches Mal eingesetzt habe, sehr tröstlich und ermutigend. Der Beter des Psalms verliert nicht den Mut, sondern vertraut auf Gottes Hilfe. Zwar sind auch dann die Probleme nicht plötzlich weg, aber die Gewissheit, dass Gott bei uns ist, gibt uns neuen Mut, uns der Situation zu stellen und weiterzugehen, auch wenn wir uns kraftlos und mutlos fühlen. Und darum brauchen wir uns auch nicht zu fürchten, auch wenn uns manches Mal Angst uns erfassen will.
Ich wünsche Ihnen Kraft und Mut für die kommende Zeit. Die brauchen wir alle.
Übertragung zu Psalm 27:
Gott ist uns Licht und Heil,
vor wem sollten wir uns fürchten?

Gott gibt uns Kraft und Mut,
wovor sollten wir Angst haben?

Wenn etwas auf uns zukommt,
drohend und gefährlich,
dann verlieren wir nicht den Mut

Wenn wir meinen, wir schaffen es nicht,
dann denken wir daran,
dass Gott uns hilft.

Gott, sei du immer bei uns,
dann sind wir nicht allein.

Lass und den Weg deiner Güte gehen,
denn wo Güte ist, da verschwindet die Angst,
und das Leben kehrt wieder, das wir suchen.

 

Freitag, 1. Mai 2020
Angela Dicke

 

 

Eine besondere Ostergeschichte

In diesen Zeiten sind wir verständlicherweise sehr mit uns beschäftigt – mit unserem Umgang mit der Coronakrise. Da tut es vielleicht ganz gut, einmal über den Zaun, über unsere Stadt- und Landesgrenzen hinauszusehen.
Und dazu möchte ich Ihnen heute von einer ungewöhnlichen Heilungsgeschichte erzählen –
sie spielt in Afrika, in Simbabwe und handelt von einem starken und phantasievollen Einsatz für das Leben.

Und so sieht dieser Einsatz aus:
Es geht um ältere Frauen, die sich auf eine Bank setzen und Zeit haben, zuzuhören und zu reden.
Diese älteren Frauen heißen in der Landessprache Gogos – eine liebevolle Bezeichnung für alte, kluge Damen
Und die Bänke, auf denen sie ihre Besucher erwarten, heißen Freundschaftsbänke.
Ihre BesucherInnen bringen viele schwere Probleme mit – in der Landessprache Kufungisisa genannt.

Wenn du zuviel denkst, wenn Sorgen dir nachts den Schlaf rauben,
wenn Angst dir alle Kraft nimmt, wenn du untätig dem eigenen Leben zuschaust – Depression sagen wir dazu. –
dann können die alten Frauen helfen.

Ein Psychiater hat diese  Initiative ins Leben gerufen, Dixon Chibanda.
Einer von 12, in einem Land mit gut 12 Millionen Einwohnern.
In einem Land, in dem das Leben hart ist.
Jeder sechste ist mit HIV infiziert,
fast jeder vierte leidet an Depressionen.

Es ist ein Tabu, über psychische Erkrankungen zu sprechen. Verschlimmert wird die Krankheit durch äußere Umstände, die im Lande herrschen: Konflikte, Krisen und Armut.
Diktator Robert Mugabe hat die einstige Kornkammer Afrikas zu einem der ärmsten Länder verkommen lassen.
Armut in den Vorstadtslums, Säuberungsaktionen der Regierung, Hunderttausende Obdachlose – die Menschen in Simbabwe sind ein traumatisiertes Volk.

Dixon Chibanda hatte den Plan, dass auch und gerade den Ärmsten geholfen werden müsste –
denen, die sich nicht einmal eine Buskarte in die Hauptstadt leisten können, von einem Arztbesuch ganz zu schweigen.


Und er fand Verbündete: die Großmütter
– Rückgrat, Herz und Verstand vieler simbabwischer Familien.
„Für mich sind sie die Hüterinnen von Weisheit und Erfahrung“, erzählt er,
„ sie sind die besten Zuhörerinnnen, Geschichtenerzählerinnen und Trösterinnen
und sie leben in den Dörfern, wo sie gebraucht werden und sie haben Zeit.“
Und er fasste den Plan, die auszubilden.
Ein therapeutischer Grundkurs sozusagen.

12 Jahre sind seitdem vergangen, seit er die ersten Großmütter ausgebildet hat.
Einmal pro Woche treffen sie sich in der kleinen Poliklinik, um über ihre Erfahrungen zu sprechen.
Eine erzählt:
Viele Patienten nehmen ihre Medikamente gegen HIV nicht, weil Priester und Scharlatane und Zauberer ihnen sagen, sie sollen stattdessen auf göttliche Mächte vertrauen.

Eine junge Frau weiß nicht, wie sie sich aus dem Kreislauf von Armut und Prostitution befreien kann.

Andere fühlen sich schuldig, dass sie an Depressionen erkrankt sind und ihre Familien nicht richtig versorgen können.
Das Leitwort der Großmütter lautet:
„Wenn du deine Probleme für dich behältst, wachsen sie.“

Und sie haben Erfolg mit ihrem großen Einsatz:
- mehr als 34 000 Menschen haben in den vergangenen Jahren eine Freundschaftsbank besucht.
Viermal geringer sind die Symptome einer Depression zurückgegangen. Selbstmordgedanken traten 5mal weniger auf.
Ein halbes Jahr nach Besuch der Freundschaftsbänke
Hatte nur noch jeder 7. Patient Symptome von Kufungisisa.
Die Erfolge sind so beeindruckend, dass aus der Initiative dieses einen Arztes inzwischen ein Modell geworden ist, dass auch in Malawi und Sansibar und demnächst in Libyen umgesetzt wird.

Menschen zu helfen ihr Leben wieder selbst gestalten zu können, Freude wiederzugewinnen und in die Gemeinschaft mit anderen zurückzufinden -
das ist eine richtige Auferstehungserfahrung,
eine wunderbare Ostergeschichte.

 

Mittwoch, 29. April 2020
Ralf Wieschhoff

 

Wir sind in der österlichen Freudenzeit. „Christ ist erstanden von der Marter alle. Des soll´n wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.“ (EG 99) so singen wir es jedes Osterfest neu. Ich finde es schön, mich von den Themen des Kirchenjahres inspirieren zu lassen. Alle menschlichen Befindlichkeiten kommen so im Laufe eines Jahres zur Sprache. Nach Ostern wieder die Freude.

Der Monatsspruch für März war kurz und knapp: „Wachet“ (Markus 13,37) hieß es da. „Wachet und betet“ erweitert Jesus am Abend seiner Verhaftung dieses Wort. (Markus 14,38) Haltet die Augen offen. Seid aufmerksam – für die Zeichen Gottes in dieser Welt, auf die Stimme seines Geistes , die im Trubel des Alltags so leicht überhört wird. Und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt.  Für den März dieses Jahres waren das – im Rückblick –  passende Worte.
Nach Leid, Tod und Auferweckung Jesu aber folgt die Freude! Die Freude der Menschen, die an Jesus glauben und ihm nachfolgen. Jubilate, Kantate, Rogate; Jubelt! Singt! Betet! - das sind die Namen der kommenden Sonntage. Ebenso kurz und knapp und leicht zu merken.
Freude darf und soll sich ausbreiten. Nicht weil alles Leid überwunden ist, aber weil wir Hoffnung haben dürfen. Hoffnung, die aus dem Vertrauen zu dem Gott erwächst, der auch in den tiefsten Verlassenheiten des Lebens bei uns bleibt. Hoffnung und Vertrauen, dass dieser Gott auch aus dem Bösesten Gutes schaffen kann.
Sechs Wochen lang ist unser Leben nun schon eingeschränkt. Die Passionstage wie auch die Ostertage lagen in dieser Zeit. Nachdenklichkeit, Besinnung, Trauer, aber auch Freude und Gesang haben uns diese Tage gebracht. Genau wie der Gang des Kirchenjahres.
Singen, jauchzen wir gegen die Todesmächte. Freuen wir uns über den Sieg des Lebens. Damals und immer wieder neu. Beten und danken wir, dass Gott uns weiterhin mit seiner Kraft und seiner Liebe begleitet.  

 

Montag, 27. April 2020
Britta Hülsewig

 

Geistliches Wort zum 27. April

Was mir Mut macht in dieser Zeit – gute Worte, die von den kleinen, unscheinbaren Dingen erzählen, die wir zum Leben brauchen, oft viel mehr als alles Großartige und Spektakuläre. Gute Worte, die sowohl Leichtigkeit als auch Tiefsinn in sich tragen. Ein paar davon zum Lesen, In-Sich-Aufnehmen und gern auch Weitergeben:

Plan vom Glück

Morgens: aufstehen.
Gucken, ob Himmel ist.
Blumen gießen.
Wenn ich Hühner hätte,
nach den Hühnern schauen.
Kartoffeln auf den Herd setzen,
ein paar Atemzüge nehmen.
Zuversichtlich sein.
Regelmäßig was erfinden,
lieben, spielen,
abends den größtmöglichen
Frieden schließen.
Zähneputzen
und den Mond machen lassen.
(aus: Susanne Niemeyer, Sieben Tage Leichtsinn)


Rezept
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
Und der Anzug im Schrank.

Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
Wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muss, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
Sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
Geht es um dich oder ihn.
Dein eignen Schatten nimm
Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
Und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
Im großen Plan.
Jage die Ängste fort
und die Angst vor den Ängsten.
    Mascha Kaléko


Für Fortgeschrittene

Es wird nicht leichter, sich diese Zeit schönzureden. Dass die Krise eine Chance ist, können vermutlich nur noch hellrosa denkende Menschen hören. Ich versuche es jeden Tag, aber bei mir kommt höchstens lila raus. Lila ist die Ambivalente unter den Farben, halb rot, halb blau, halb Hölle, halb Himmel. Lila Blumen blühen in den Übergangszeiten: Krokusse, Herbstzeitlose. Wahrscheinlich gibt es Ausnahmen, weil in der Natur nichts so eindeutig ist. Nicht mal die Ambivalenz. Das auszuhalten, ist wirklich etwas für Fortgeschrittene. Vielleicht hat sich Gott das hier alles nur ausgedacht, damit wir lernen, dass nichts so eindeutig ist, wie wir es gern hätten. Damit endlich Schluss ist mit dem Schwarz-Weiß-Denken. Gut oder Böse. Schuld oder Unschuld. Sinn oder Unsinn. Himmel oder Hölle. Richtig oder falsch. Entweder-Oder.
Nicht, dass ich an göttliche Pläne glaube, vor allem nicht an so durchschaubare. Andererseits…
Susanne Niemeyer, Lichtbick-Blog vom 26. April 2020


An einem geschenkten Tag

Gott, unser Schöpfer, ich danke dir
    für diesen geschenkten Tag
für deine Herrlichkeit, die ich im Himmel
    und auf der See erkenne,
im wechselnden Licht auf den Hügeln,
    im Flug der Vögel,
in den Blumen auf Wiesen und in Gärten.

Ich danke dir für die Liebe,
    die ich durch dich in meinem Leben erfahre:
für neue Freunde und auch alte,
    für Fürsorge und Gespräche,
für Gemeinschaft und Alleinsein,
    für Arbeit und Spiel,
für Worte und Stille.

Ich danke dir für das Geschenk der Zeit:
    Möge dein Geist mir helfen,
    sie weise zu nutzen
in Jesu Namen,
    der sein Leben gab,
    um mir deine Liebe zu zeigen.
Amen.
        Jan Sutch Pickard

aus der Bergpredigt, Matthäus 6,25-27
Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?

 

Samstag, 25. April 2020
Hans-Jürgen Drechsler

 

 

Sehnsucht nach Leben und Gemeinschaft – das erfüllt sicherlich im Moment viele Menschen. So vieles ist eingeschränkt, vieles geht nicht:
Keine oder fast keine Besuche, keine kulturellen Veranstaltungen, noch keine Gottesdienste, keine sportlichen Ereignisse, keine gemeinschaftlichen Aktionen in allen Bereichen.
Vieles lässt sich da aufzählen. Menschen hatten und haben zu allen Zeiten Sehnsucht nach etwas. Dieses Sehnen tief in uns ist nach meiner Auffassung auch ein Sehnen nach Gott, weil nur in ihm die Fülle des Lebens zu finden ist. Und vielleicht kommt gerade in dieser Zeit die tiefe Sehnsucht nach Leben in Fülle besonders hervor, weil wir nicht durch äußere Dinge und allerlei Aktivitäten abgelenkt sind. In solchen Zeiten bemerken wir mehr, wie es in uns aussieht, können es nicht so leicht zur Seite schieben oder unterdrücken.
Im folgenden Lied wird diese Sehnsucht, die ich gerade angedeutet habe, sehr schön beschrieben. . Und sie wird in diesem Lied als Sehnsucht nach Gott interpretiert. So lade ich Sie ein, dieses Lied („Da wohnt ein Sehnen“) auf sich wirken zu lassen und in sich hineinzuhören, welche Sehnsüchte bei Ihnen zum Vorschein kommen. Und ich wünsche Ihnen, dass die tiefe Sehnsucht nach Leben durch die Beziehung zu Gott gestillt werden kann. Das ist auch die Bitte dieses Liedes.

Refrain:
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich sehn, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.


1.
Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir.
In Sorge, im Schmerz – sei da, sei uns nahe, Gott.
Refrain
2.
Um Einsicht, Beherztheit, um Beistand bitten wir.
In Ohnmacht, in Furcht – sei da, sei uns nahe, Gott.
Refrain
3.
Um Heilung, um Ganzsein, um Zukunft bitten wir.
In Krankheit, im Tod – sei da, sei uns nahe, Gott.
Refrain
4. Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir.
Wir hoffen auf dich – sei da, sei uns nahe, Gott.
Refrain


Donnerstag, 23. April 2020
Angela Dicke

Der Sonntag nach Ostern trägt den lateinischen Namen „Quasimodogeniti“. Das ist angelehnt an einen Vers aus dem
1. Petrusbrief – und bedeutet: „wie die neugeborenen Kinder“.
So sollen sich die Menschen nach Ostern verstehen, so, als wären sie neugeboren: frisch, neu, mit wachen Sinnen, alle Zukunft vor sich. Herausgeboren aus einem Ereignis, das in der Tiefe kaum zu verstehen ist, das durch die Auferstehung des Einen aber kräftig angesagt wird über alle Schöpfung.
Der ganze Vers, biblisches Wort für diese Woche, ist ein Aufruf, sich in diese Verwandlung hineinzudenken und zu –fühlen, sich vergewissern zu lassen:
den Einen hat der Tod nicht halten können, so dunkel sein Weg auch war,
und das gilt auch uns. An dem Einen hat sich der Tod die Zähne ausgebissen und damit ist ein Anfang gemacht, in dem unser eigenes gutes Ende schon eingewickelt ist.
Denn Gott nimmt uns mit hinein in diese große Bewegung, richtet uns neu auf das Leben aus, bläst uns seinen Lebensodem in die Gemüter.
Der ganze Vers aus dem 1. Petrusbrief ist ein strahlender, sieges-gewisser Ausruf:
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“

Damit werden wir unserer Herkunft versichert – allein aus Gottes Barmherzigkeit, seinem guten Wollen über uns sind wir in die Welt gerufen. Und das Vertrauen in diese Herkunft lässt uns auf eine Zukunft hoffen, die sich aus seiner Liebe speist.
Kräftig wirft uns der Vers nach vorn –
in ein Leben, in dem sich die Spuren von Bewahrtsein und Seligkeit und Freude finden. Lesen Sie es in einem ruhigen Moment einmal für sich selbst im Zusammenhang (1. Petr 1,1-9) und finden Sie heraus, an welchen Worten und Bildern Sie andocken können  und welches Licht sie auf die Zeit werfen, in der wir gerade leben – ich glaube, es lohnt sich!

 

Dienstag, 21. April 2020
Ralf Wieschhoff

 

Geistliches Wort zum 21. April 2020
Christ ist erstanden
Aus der Verwesung Schoß!
Reißet von Banden
Freudig euch los!
Auf diese Worte des Engelchors aus Goethes Faust bin ich in diesen Tagen um Ostern gestoßen, als ich nach den Versen des Osterspaziergangs suchte. Und dann stieß ich wieder auf diese Verse:
„Aus dem hohlen, finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn;
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.“
1790 wurde ein erstes Fragment des Faust veröffentlicht, 1808 erschien „Faust, 1. Teil“ vollständig. Mehr als 200 Jahre ist es her, dass Johann Wolfgang von Goethe seinen Blick auf die Menschen zur Osterzeit beschrieb.
Genau so kann ich auch im Jahr 2020 meine Ostereindrücke beschreiben. Sonnige Ostertage, viele Spaziergänger, die ihre Häuser verlassen haben – und die dieses Jahr vielleicht ganz anders und neu auf die Welt und ihr Leben sehen. So vieles, was vertraut und für ewig fest schien ist anders: Distanzgebote, Kontaktverbote, Schließung von Gaststätten, Geschäften, Fabriken und vielem mehr.
Das Leben ist eingeschränkt – und doch geht es weiter. In allem Schwerem suche und entdecke ich manchmal auch Schönes: Die Welt ist leiser geworden, die Straßen von weniger Autos befahren, der Sternenhimmel überm Ruhrgebiet klarer zu sehen. Menschen nehmen Rücksicht, bieten Hilfe an, zeigen viel Kreativität, ihre Gaben anderen zur Freude einzusetzen. Die Arbeit vieler in oft wenig bezahlten Berufen wird neu geschätzt.
Ein anderer Blick auf die Welt wird möglich.
Genau das hat Jesus zu seiner Zeit auch gelehrt: Schaut anders auf die Welt als ihr es gewohnt seid.
„Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen. Und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?“ (Matthäus 6,26)
Sich aus dem Trott der Tage und der täglichen Sorgen lösen, sich selbst einmal anders, als ein von Gott beschenkter und von ihm umsorgter Mensch zu sehen: Das schafft Freiräume.
Auch das Osterfest erinnert an von Gott geschaffene Freiräume. Am Ende sind nicht Tod und Vergänglichkeit, sondern Liebe, Liebeskraft und neues Leben. Gottes Liebeskraft hat die Todesmächte überwunden. Hoffnung im Leben und über den Tod hinaus.
Denken wir doch auch das in diesen Tagen der vielen Un-Gewohntheiten. Gott ist ein Freund des Lebens und immer für Überraschungen und neue Entdeckungen gut.

 

Sonntag, 19. April 2020

Britta Hülsewig

 

Ostern – das war doch letzte Woche, oder? Nein, Ostern dauert länger. Wir feiern gerade den 1. Sonntag nach dem Osterfest, fünf weitere werden folgen, dann erst ist die Osterzeit im Kirchenjahr zu Ende. Und zum Osterfest gehören viele Geschichten, es braucht Zeit, bis das, was Ostern bedeutet, zu verstehen ist:
Da sind zwei Menschen gemeinsam unterwegs. Auf dem Weg von Jerusalem in das Dorf Emmaus, zu Fuß ein Weg von ungefähr drei Stunden. Zeit genug, um sich über das eine Thema zu unterhalten, das ihre Gedanken und Gefühle beherrscht: In Jerusalem ist ihr Freund Jesus von Nazareth am Kreuz hingerichtet worden. Sie sprechen über all das Schreckliche, das sie gerade erleben. Unterwegs gesellt sich ein Fremder zu ihnen, begleitet sie, lässt sich alles genau erzählen und fragt nach. Alles, was ihnen auf dem Herzen liegt, erzählen sie diesem Fremden. Und der nimmt sich Zeit für diese beiden traurigen, enttäuschten Männer.
Dann beginnt auch der Fremde zu erzählen. Er verbindet das, was die beiden erlebt haben und was sie so beschäftigt, mit alten biblischen Traditionen.
So in ihr Gespräch vertieft kommen die drei an im Dorf Emmaus.  Es ist Abend geworden und sie laden den Fremden ein, bei ihnen zu bleiben und mit ihnen zu essen. Und sie teilen miteinander das Brot. Und erst da merken die beiden Männer, dass es Jesus selbst ist, der die ganze Zeit mit ihnen gegangen ist. In dem Augenblick ist Jesus auch schon nicht mehr da.
Die beiden sehen sich an: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
(Lukas 24,32)
Erst im Nachhinein erkennen die beiden Männer, was da geschehen ist. Erst im Nachhinein erklärt sich ihnen alles. Im Nachhinein – nicht schon sofort oder gar im Vorausschauen. Mein Herz wird berührt von dem, was ich nicht machen kann, was mir nicht zur Verfügung steht. Das ist nicht festzuhalten, das gehört mir nicht für immer. Im Nachhinein – aber das bleibt kein bloßer Blick zurück, sondern gibt Mut nach vorn zu gehen. Setzt in Bewegung. So wie es die beiden damals in Bewegung gesetzt hat. Sie blieben nicht verzückt am Tisch sitzen. Was sie erlebt hatten, brachte sie wieder auf die Beine. Noch am selben Abend sind sie aufgestanden und aufgebrochen. Hinausgegangen und zurückgekehrt nach Jerusalem – zu den anderen. Weil Jesus die Hoffnung und Neugier auf das Leben wieder in ihnen geweckt hat.
Erfahrungen, Ostererfahrungen, die unsere Herzen brennen lassen und uns in Bewegung setzen, wünsche ich uns. Und dass wir im Nachhinein von dem, was wir jetzt erleben und erfahren, sagen können: Wir haben gelernt und verstanden, dass wir als Menschheit verwundbar sind und unser Leben und das Leben der ganzen Welt zerbrechlich ist. Und wir spüren mit brennenden Herzen,  wie kostbar vieles ist, was wir sonst selbstverständlich hatten – eine Begegnung, ein Händedruck, eine Umarmung. Und endlich haben wir auch gelernt und verstanden, dass wir nur solidarisch in unserer einen Welt leben können

 

Freitag nach Ostern, 17. Apri 2020
Hans-Jürgen Drechsler

Der Herr ist auferstanden.
Er ist wahrhaftig auferstanden.
So begrüßen sich die Christinnen und Christen zu Ostern im Gottesdienst. Und auch wenn wir dieses Jahr in unseren Kirchen keinen Gottesdienst feiern konnten, behält diese Botschaft doch ihre Kraft und ihre Gültigkeit. Das gemeinsam gesungene Lied vor den Kirchen „Christ ist erstanden“ hat diese Botschaft ja dennoch verkündigt.
Die älteste biblische Überlieferung, die die Auferstehung Jesu bezeugt, steht im ersten Korintherbrief des Apostels Paulus. Er beschreibt die die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens dort mit folgenden Worten, die er selbst schon als Überlieferung empfangen hat:
Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe:
Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und das er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas (Petrus), danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.

(1. Kor. 15, 3-6)
Ostern ist das Fest der Auferstehung.  Jesu Auferstehung bleibt die Grundlage unseres Glaubens, die uns Kraft gibt für dieses Leben und darüber hinaus. Nicht alle Menschen werden diese Pandemie überleben, aber alle bleiben in Gottes Liebe geborgen; denn Gottes Liebe ist stärker als der Tod. Das ist die Frohe Botschaft zu Ostern und darüber hinaus.  In diesem Sinne wünsche ich ihnen Gottes Schutz und Segen in diesen Wochen nach Ostern.

 

 

Mittwoch nach Ostern, 15. April 2020
Angela Dicke

An dieses Osterfest werden wir uns noch lange erinnern – es fand vor der Kirche statt, nur ein Blick hinein zum geschmückten Altar, zur Osterkerze war möglich. Auf vieles, das wir an diesem, dem höchsten christlichen Fest so lieben, mussten wir verzichten. Aber…., ja, das „Aber“ gab es auch:
die Glocken läuteten und waren draußen auf dem Vorplatz kräftig zu hören und die Glocken der anderen Kirchen auch, aus dem Inneren ertönte festliche Orgelmusik, ein Tisch mit Blumen und Kerze und kleinen Geschenktüten für alle stand bereit, das Osterevangelium wurde gelesen und wir haben miteinander gesungen „Christ ist erstanden“ und wussten: Das singen jetzt viele Menschen im ganzen Land in diesen Minuten mit.
Und dann haben wir uns zugewunken und uns herzliche „Frohe Ostern!“ gewünscht, in herrlichstem Sonnenschein.

Wer das Bild genau betrachtet, sieht auf den Stufen einen Schriftzug, mit Kreide auf den Sandstein geschrieben, da steht:
„Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“
Diese Botschaft bringt die Befreiung aus allem Tod, die Erlösung aus aller Angst, den Ruf in die Freiheit und in die Freude unter die Leute –
davon war etwas  zu spüren an diesem besonderen Ostermorgen, wie ein Aufstehen aus Bekommenheit und Sorge, Gott sei Dank!

 

 

Karsamstag, 11. April 2020

Britta Hülsewig

Der Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe. Er endet mit der Auferstehungsfeier am Abend oder frühen Sonntagmorgen. Im Dunkeln wird an einem Feuer vor der Kirche die Osterkerze als Symbol der Auferstehung entzündet. Sie ist zunächst das einzige Licht. So feiern wir es in jedem Jahr zusammen.
Aber noch ist es nicht soweit. Noch ist es dunkel draußen. Und ob sich das Dunkle in Licht verwandelt, steht dahin. Nicht ich habe es in der Hand, nicht du hast es in der Hand, in der Hand hat es keiner von uns.
Noch ist Karsamstag, noch regiert das Dunkel des Todes. Gern würde ich mich dem entziehen. Es wäre ja auch einfach – draußen ist wunderbares Frühlingswetter. Und trotzdem – auch meine Nachtgedanken gehören jetzt dazu, die Schatten, die über uns liegen: Traurigkeit, Einsamkeit, Angst.
Jesus am Kreuz – unsere Traurigkeit, unsere Einsamkeit und unsere Angst hat er dort für uns getragen. Selbst durchlebt und durchlitten. Für uns die Arme ausgebreitet, um ein für alle Mal die Macht des Todes zu brechen.
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Johannes 3,16).
Also hat Gott die Welt geliebt. Schon immer und heute auch. Das will ich glauben, darauf will ich vertrauen. Ich glaube, hilf meinem Unglauben.

Gebet
Jesus Christus,
du bist in den Tod gegangen,
damit unsere Hoffnung einen Grund hat.
Darum kommen wir zu dir,
auch wenn wir dich nicht verstehen.
Wir kommen zu dir.
Denn du hast versprochen,
dass der Tod seine Macht verlieren wird.
Und wir bitten dich – wir bedrängen dich:
Lass die Toten nicht allein.
Lass die Menschen, die trauern nicht allein.
Lass die Menschen, die krank sind nicht allein.
Lass die Menschen, die zweifeln und hadern nicht allein.
Lass die Menschen mit ihren Nöten und Ängsten nicht allein.
Lass keinen Menschen auf dieser Welt allein. Amen.

 

Gründonnerstag, 9.4.2020
Hans-Jürgen Drechsler

 

 
Am Vorabend der Kreuzigung feiert Jesus mit seinen Jüngern das Abendmahl. Der Apostel Paulus gibt im 1. Korintherbrief im 11. Kapitel die älteste bekannte Überlieferung der Worte Jesu weiter.
Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

 

Jesus wusste, was auf ihn zukommt und hat mit seinen Jüngern ein letztes Mal zusammen gegessen und getrunken im Rahmen des jüdischen Passahmahles. Und in Erinnerung an dieses letzte Mahl Jesu feiern wir in unseren Kirchen regelmäßig Abendmahl.
Im Abendmahl sind wir mit Jesus und untereinander in besonderer Weise verbunden.
Zu Karfreitag und Ostern gehört die Abendmahlsfeier ganz selbstverständlich dazu. Das fehlt mir dieses Jahr und vielen andern, denen die gemeinsame Mahlfeier etwas bedeutet, ebenso. Aber diese Verbindung bleibt auch bestehen, wenn wir jetzt das Abendmahl nicht feiern können. Die Verbindung zu Jesus Christus und die Verbindung untereinander, weil sie in Jesus Christus begründet ist. Und er ist uns eben auch in diesen Zeiten nahe.
Ich wünsche uns, dass wir diese schwierige Zeit gut überstehen und diese Tage bewusst begehen. Und wir dürfen darauf hoffen, dass wir in der Zukunft – wann genau auch immer das sein wird – wieder gemeinsam Abendmahl feiern können. Bis dahin bleiben wir in Jesus Christus verbunden durch seine Liebe. Seien Sie seinem Schutz anbefohlen

 

7. April 2020

Angela Dicke

Immer mal wieder ertappe ich mich dieser Tage dabei, dass mir der Wochentag abhanden gekommen ist – Dienstag oder Donnerstag oder was haben wir heute gerade?

Wenn nicht mehr der gewohnte Alltagsrhythmus die Wochen bestimmt, geraten wir ins Schlingern.
Kindergarten und Schule, Beruf und der alltägliche Pflichtenkanon ordnen normalerweise unsere Zeit. Feste und Ausflüge, Konzertbesuche, Geburtstagsfeiern, Vereinsleben, Sporttreiben und vieles mehr füllen unsere Terminkalender und bilden ein verlässliches Gerüst.
Das ist seit wenigen Wochen ganz anders und die erzwungene Ruhe ist für die meisten mindestens ungewohnt.
Wir leben vom Rhythmus des Tuns und Lassens, des Arbeitens und der Ruhe. Schon die ersten Seiten der Bibel verbinden uns darin mit dem schöpferischen Gott – auch wir dürfen tätig sein und auch wir freuen uns an dem anschließenden be-schaulichen Ausruhen.
Tag und Nacht, Licht und Finsternis, Himmel und Erde, Berge und Meer – wir leben im Wechsel des Gegenübers.
Das ist in unserem Alltagsleben derzeit tiefgreifend verändert; wir müssen uns selbst um eine Struktur bemühen, um Ordnung im immer Gleichen.
In dieser Woche aber kommt uns das Kirchenjahr zur Hilfe:
die Karwoche gibt jedem Tag ihr Thema vor und der Gründonnerstag ist mit dem Karsamstag nicht zu verwechseln und Ostern nicht mit Karfreitag.
Wenn wir den Gang durch die letzte Woche im Leben Jesu auch nicht gottesdienstlich miteinander gehen können, so können wir uns doch ein Evangelium vornehmen und es einmal im Zusammenhang lesen:
so erzählt Lukas vom Todesbeschluss der Gegner, von der Frau, die Jesus mit kostbarem Salböl verwöhnt, vom letzten gemeinsamen Essen des Passah mit den verstörenden und erhellenden Worten Jesu, von der Verleugnung des Petrus und dem Verrat des Judas, von…ach, lesen Sie es selbst, jeden Tag ein bisschen und lesen Sie sich hinein in das Geheimnis des Glaubens, in die bewegende Geschichte, die letztendlich in das höchste Fest der Christen mündet.
Nehmen wir aus dieser Geschichte nicht nur die Struktur für diese Woche, sondern bauen wir daraus das Geländer, an dem wir durch das Leben gehen können.

 

3. April 2020

Britta Hülsewig

Geistliches Wort
Jetzt leben wir schon fast drei Wochen damit, dass wir kaum noch direkte soziale Kontakte pflegen können und sollen. Oder doch erst drei Wochen?
Die Experten, Ärzt*innen und Virolog*innen, sagen uns: Die großen Ansteckungszahlen und Krankheitsausbrüche stehen uns noch bevor. Was bedeutet das? Wie wird unser Alltag nach den Osterferien aussehen – in einem Monat – in einem Jahr? Wie wird es uns gehen – gesundheitlich, finanziell, psychisch? Wie geht es dann Menschen, die uns nahestehen? Wie geht es der Wirtschaft? Das alles wissen wir heute noch nicht. Aber es treibt mich um. Und nicht nur mich. Wir alle denken doch darüber nach, wie es weitergehen wird: Wann werden die starken Einschränkungen des Alltags wieder gelockert und wie wird es dann sein?

Es ist wichtig, dass wir nicht nur auf Corona starren – gelähmt von Angst und Sorge. Es ist wichtig, nicht nur abzutauchen in das eigene Zuhause und zu schauen, wie wir persönlich klarkommen.
Dass es auch anders geht, macht mir Mut: Nachbar*innen helfen einander. Menschen entwickeln wunderbare Ideen, wie sie das, was sie können, weitergeben an andere. Eltern nehmen große Rücksicht und betreuen ihre Kinder zuhause, damit die Infektionsketten unterbrochen werden. Das ist bestimmt nicht leicht. Held*innen des Alltags, die einfach dort anpacken, wo sie sehen, dass Hilfe gebraucht wird. Ganz handfest und ganz biblisch, so wie es Paulus an die Gemeinde in Galatien schreibt:  Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Kapitel 6, Vers 2)

Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Lasten anderer Menschen mittragen, die Menschen, deren Existenz bedroht ist, nicht aus den Augen verlieren. Schnelle, unbürokratische Hilfe leisten. Und auch sehen und verstehen, dass die Lasten umverteilt werden müssen in unserer Gesellschaft. Die, die jetzt die Lasten tragen und für uns da sind, verdienen große Anerkennung. Das muss honoriert werden – ganz handfest. Auch das ist wichtig – in der Krise und danach.


Gut, dass wir einander haben
(Lied von Manfred Siebald)

Gut, dass wir einander haben, gut, dass wir einander sehn,
Sorgen, Freuden, Kräfte teilen und auf einem Wege gehn.
Gut, dass wir nicht uns nur haben, dass der Kreis sich niemals schließt
Und dass Gott, von dem wir reden, hier in unsrer Mitte ist.

Keiner, der nur immer redet, keine, die nur immer hört.
Jedes Schweigen, jedes Hören, jedes Wort hat seinen Wert.
Keiner widerspricht nur immer, keine passt sich immer an.
Und wir lernen wie man streiten und sich dennoch lieben kann.

Keiner, der nur immer jubelt, keine, die nur immer weint.
Oft schon hat uns Gott in unsrer Freude, unsrem Schmerz vereint.
Keiner trägt nur immer andre, keine ist nur immer Last.
Jedem wurde schon geholfen, jede hat schon angefasst.

Keiner ist nur immer schwach und keine hat für alles Kraft.
Jede kann mit Gottes Gaben das tun, was kein anderer schafft.
Keiner, der noch alles braucht, und keine, die schon alles hat.
Jeder lebt von allen andern, jede macht die andern satt

 

1. April 2020

Hans-Jürgen Drechsler

In dieser Zeit gibt es Worte und Texte, die uns helfen können.
Den folgenden Liedtext finde ich  für unsere Zeit sehr passend und auch ermutigend. Auch in dieser schweren Zeit sind wir in Gottes Hand geborgen, auch wenn es uns nicht immer bewusst ist.

Meine Zeit steht in deinen Händen.
Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.
Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden.
Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.

Sorgen quälen und werden mir zu groß.
Mutlos frag ich: Was wird Morgen sein?
Doch du liebst mich, du lässt mich nicht los.
Vater, du wirst bei mir sein.

Meine Zeit steht in deinen Händen.
Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.
Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden.
Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir

 

30. März 2020

Angela Dicke

Über jedem Sonntag steht ein Spruch aus der Bibel als Leitwort für die neue Woche.
Für diese Woche gilt ein Vers aus dem Matthäusevangelium:
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse,
sondern das er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“
(Mt 20,28)

Vom Dienst der anderen leben wir dieser Tage in besonderer Weise:
den Pfleger*innen und Ärzt*innen in den Krankenhäusern, dem Personal in den Altenheimen, den Postboten und den Zulieferern für die Supermärkte, den Lehrer*innen und Erzieher*innen, die von zuhause aus Kontakt halten, den vielen Ungenannten, die ihre Hilfe anbieten.
Wir leben immer vom Dienst anderer, aber in diesen Tagen werden wir uns darüber besonders bewusst.
Fürsorgliche Tätigkeiten, im Kleinen und im Großen, die uns als Gemeinschaft verbindet und erhält.
Und Gott selbst, in seinem Menschensohn Jesus, als Anstifter und Helfer,
als Diener seiner Menschenfamilie.
In seinen Spuren gehen wir in Zuversicht.

der erde
salz werden
für ein menschenmeer
auf dass es trage
alle die leben
in ihm

Christoph Leiste

 

28. März 2020

Ralf Wieschhoff

Seit Tagen erleben wir die größte Veränderung unseres Lebens. Wir überlegen genau, wann wir das Haus verlassen, meiden Berührungen, halten Abstand – und wissen nicht, wie lange das noch dauern wird. Wichtigkeiten im Leben verändern sich, verändern auch uns.
Die Gefahr sich anzustecken ist da, wird noch lange bleiben. Wie lange halten wir die jetzigen Umstände noch aus?
Zuversicht, ein hoffnungsvoller Blick nach vorne ist nötig, hilft, drohenden Ängsten entgegenzuwirken.  In der Vereinzelung nicht allein sein, mit Menschen – und auch mit Gott im Gespräch zu bleiben, gibt große Kraft.
Folgende Gedanken Dietrich Bonhoeffers machen Mut. Sie regen an, die Welt, Gott und auch mich neu zu denken:

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.

Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer 

 

 

24. März 2020

Britta Hülsewig

Sie läuten uns in die Ohren und legen uns ans Herz:
Bleibt zuhause. Die Kirche ist zu, aber Beten geht trotzdem.
 
Haltet inne,
blickt zum Himmel, mit und ohne Gott.
Habt gute Gedanken füreinander,
und vergesst nicht die, die gestorben sind,
euch nah oder fern, heute, gestern, täglich -
„ein jeder schenke ein Gebet seinem Nachbarn“.
Zündet eine Kerze an, am Fenster zur Straße,
Licht in dunklen Zeiten, ein Hoffnungsschimmer,
dass wir verbunden sind, getrennt und doch nah.
Wir stehen an der Tür und dürfen nicht raus,
wir stehen am Fenster zur Welt.
Tagtäglich, abends, immer um halb acht.
Ein Vaterunser. Von mir aus für die ganze Welt.

 

18. März 2020

Hans-Jürgen Drechsler

Der 23. Psalm ist ein Bibelwort, das ermutigt, stärkt und tröstet.

Der Beter des Psalms hat Gottes Hilfe in seinem Leben immer wieder erfahren – in den guten Zeiten und auch in den schweren Zeiten. So weiß er sich auch beim Durchschreiten des dunklen Tals bei Gott geborgen.

Auch wir gehen jetzt in diesen Tagen durch ein dunkles Tal, sind vielfach voller Ängste und Sorgen wegen der Coronakrise. Das ist verständlich und macht uns allen zu schaffen. Da kann dieser Psalm unseren Blick auf Gott lenken, der gerade auch jetzt für uns da ist und zu dem wir beten können.

 

Der HERR ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des HERRN immerdar.

Psalm 23